Pechvogel: Roman (German Edition)
eine Entführung meldest.«
»Eine Entführung? Fett, Digga!«
Was auch immer das heißen mag.
»Sag ihnen, der Junge heißt James Saltzman junior, wohnhaft in der Greenwich Street Nummer 1331. Und dass Tommy Wong, der im zwanzigsten Stockwerk des Sir Francis Drake wohnt, einer der Kidnapper ist.«
»Alter! Krass!«
Das alles wäre so viel leichter, wenn ich Doug bloß verstehen würde.
»Und dann warte unten auf die Polizei. Hast du das verstanden?«
»Verstanden.« Er rutscht von der Bank und starrt dann auf seinen Fuß. »Cool!«
»Was?«
»Mein Schnürband ist aufgegangen.« Begeistert beugt er sich herunter, um es zuzubinden. »Das bedeutet, dass gute Nachrichten auf mich warten.«
Oder es bedeutet, dass er lernen sollte, sich die Schuhe richtig zuzubinden.
»Großartig. Vergiss bloß nicht, was ich dir gesagt habe.«
»Ich werde nichts vergessen«, beteuert er und steht auf. »Vertrau mir.«
»Und, Bow Wow: Was immer du tust, erwähne meinen Namen nicht.«
»Klare Sache, Holmes«, gibt er zurück, während er den Notruf wählt. »Bow Wow ist an der Sache dran!«
Ich schaue ihm nach, während er mit dem Mitarbeiter vom Polizeinotruf spricht und in Richtung Lift geht. Dabei benutzt er Begriffe wie abrippen und Peeps. Gerade frage ich mich, ob ich nicht besser selbst dort angerufen hätte, als mir auffällt, dass die Aufzugtüren sich schließen. Mir wird klar, dass ich die Person, die gerade aus dem Fahrstuhl gekommen ist, völlig übersehen habe. Und als ich mich umdrehe, sehe ich, was sich außerdem in diesem Moment schließt: die Tür der Herrentoilette.
Mist.
Hinter mir erzählt Doug dem Notrufmitarbeiter gerade, dass Wong »im Drake voll abgeht«. Ich renne zur Toilette, reiße die Tür krachend auf, stolpere hinein – und finde niemanden am Waschbecken, niemanden an den Pinkelbecken und niemanden in den Kabinen. Nichts als versiffte Fliesen und eine unabgespülte Toilette.
Männer sind wirklich ekelhafte Schweine.
Auch als ich aus dem Waschraum herauskomme, kann ich keine Spur von Tommy oder Jimmy entdecken. Nicht an der Bar und auch nicht in den Sitznischen.
»Haben Sie hier einen zehnjährigen Jungen durchkommen sehen?«, frage ich den Barkeeper. »Oder einen alten asiatischen Typen in einer roten Hausjacke?«
»Einen Jungen habe ich nicht gesehen«, antwortet einer der Alten an der Bar, der schon reichlich angetrunken ist, »aber so ein asiatischer Hugh Hefner ist gerade da lang gelaufen.« Er deutet auf eine Tür. Ein Zeichen darüber verrät, dass es dort ins Treppenhaus geht.
Ich haste zu dem Ausgang und rase die Treppen herunter, als ich unter mir eine Tür zufallen höre. Endlich erreiche auch ich den Eingang zum zwanzigsten Stockwerk, muss aber feststellen, dass dieser verschlossen ist und man zum Öffnen einen Kartenschlüssel braucht. Ich renne ein Stockwerk tiefer, um zu prüfen, ob ich dort hereinkomme, aber auch diese Tür ist verschlossen – ebenso wie die in der Etage darunter.
Und allmählich denke ich, dass man mich reingelegt hat.
Während ich die Stufen zur Bar wieder hinaufstürme, wünsche ich mir im Stillen, konsequenter trainiert zu haben. Als ich feststelle, dass ich immerhin keinen Kartenschlüssel benötige, um zurück in Harry Denton’s Starlight Room zu gelangen, bin ich fast schon erleichtert. Doch leider entpuppt sich meine Erleichterung als recht kurzlebig, denn unvermittelt schrillt eine Alarmanlage los. Kurz darauf kommt mir ein halbes Dutzend Menschen durch die Treppenhaustür entgegen, und ich nehme den Geruch von Rauch und brennendem Stoff wahr. Als ich den Klub betrete, ist die Lounge voller Qualm; die Tischdecken des Büfetts brennen, und die in der Nähe hängenden Seidenvorhänge stehen in Flammen. Obwohl die Sprinkleranlage ausgelöst worden ist, breitet sich das Feuer zügig aus, und einige Leute versuchen, es mit Feuerlöschern zu bekämpfen. Genau in diesem Moment beschließt auch der reichlich angetrunkene Typ, der mir gesagt hat, er hätte Tommy die Treppe heruntergehen sehen, zu helfen: Er schnappt sich einen der Stühle und wirft ihn durch eine Fensterscheibe.
Vermutlich wollte er einfach etwas lüften.
Mein Anzug ist durch die Sprinkleranlage schon völlig durchnässt, während das Feuer sich von den Vorhängen zu den Separees ausbreitet und das Geräusch der sich nähernden Sirenen durch das zerbrochene Fenster von den Straßen empordringt. Ich will gerade in Erfahrung bringen, ob die Aufzüge noch funktionieren, als ich Doug
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