Pechvogel: Roman (German Edition)
hoffe, dass Sie heute einen Ihrer besseren Tage haben, Mr. Monday«, sagt sie und zündet sich eine Zigarette an. »Ich hasse Enttäuschungen.«
»Geht mir genauso«, entgegne ich und folge dem Giganten zum Aufzug.
»Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Mr. Monday«, ruft Tuesday mir nach. »Viel Glück!«
Genau das werde ich brauchen.
Kapitel 20
A ls ich in mein Büro zurückkomme, ist der Nachmittag zur Hälfte Geschichte, und dasselbe gilt für die Leiche – allerdings in Gänze. So weit ein Punkt für mich.
Nachdem ich jetzt weiß, dass es zwei Tuesdays gibt, hatte ich mich kurzzeitig gefragt, ob ich bei meiner Rückkehr wohl auch zwei asiatische Doppelagentinnen in meinem Büro vorfinden würde. Eine in jeder Ecke, wie zwei ziemlich heiße, verwesende Buchstützen. Wäre immerhin symmetrisch gewesen.
Na ja, ich will mich nicht beklagen. Immerhin habe ich nun etwas Taschengeld zur Verfügung, und ich sollte es an einem sicheren Ort unterbringen, damit es mir nicht wieder verlorengeht oder gestohlen wird. Die Bank wäre sicherlich eine gute Anlaufstelle, aber es fehlt mir gerade noch, dass ich das Geld bei der nächsten Steuererklärung angeben muss. Also verstaue ich die eine Hälfte in meinem Aktenschrank – unter T wie »Tuesday« – und stecke die anderen tausend in meinen Geldbeutel. Dann nehme ich einen Hunderter wieder raus und verstecke ihn in meinem linken Schuh. Nur zur Sicherheit.
Mein Telefon klingelt.
»Nick Monday«, melde ich mich.
»Warum haben Sie nicht im Büro gewartet, wie ich es Ihnen gesagt habe?« Es ist Tommy. Und er klingt genervt. Was für eine Überraschung.
»Habe ich doch gemacht. Und dann bin ich mit dieser niedlichen Glücksdiebin aus Tucson essen gegangen, die Sie mir rübergeschickt haben.«
»Welche niedliche Glücksdiebin?«
»Keine Ahnung. Sie wollte mir ihren Namen nicht verraten.«
»Ich hab kein Mädchen geschickt, um Sie auszuführen«, sagt Tommy.
»Haben Sie nicht?«
»Nein. Ich habe einen meiner Männer geschickt. Er meinte, Sie waren nicht da.«
»Wer war dann die Frau?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen?«, gibt Tommy zurück und hält kurz inne. »Was haben Sie ihr erzählt?«
Nur dass Sie ein Mörder, Erpresser und im Allgemeinen ein unangenehmer Arbeitgeber sind, denke ich bei mir.
»Nichts«, antworte ich.
»Sie sagen lieber die Wahrheit, sonst …«
»Ja, ja, ich weiß. Diese ganze Tot-in-der-Gasse-liegen-Sache. Ich hab schon verstanden.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung. Ich spüre, wie Tommys Verärgerung durch das Telefonnetz wabert.
»Sie müssen wissen, wo Ihr Platz ist«, meint Tommy.
»Witzig, genau das hat mein Vater auch immer zu mir gesagt.«
Noch mehr Schweigen. Ich schätze mal, ich werde nicht der Angestellte des Monats.
»Das nächste Mal rufen Sie mich an, wenn Sie meine Anweisungen nicht verstanden haben«, sagt er.
Und dann legt er auf.
Anweisungen? Was für Anweisungen? Warum muss eigentlich neuerdings jeder nur noch in Rätseln mit mir sprechen? Kann nicht irgendwer mal Klartext reden, mir seinen Namen nennen oder mir sagen, was eigentlich los ist, und mir zur Abwechslung mal nicht mit dem Tod drohen? Und was zum Teufel hat das Roller-Mädchen vor meinem Büro gemacht, wenn sie nicht hier war, um mich in Tommys Auftrag zum Essen auszuführen? Ein ziemlich gutes Essen übrigens.
Ohne das Licht anzuschalten, setze ich mich an meinen Schreibtisch, werfe noch zwei Schmerztabletten ein und spüle sie mit zwei Schlucken kaltem Cappuccino von Starbucks hinunter. Kopfschmerzen habe ich zwar keine mehr, aber sie werden wiederkommen. Also sorge ich lieber für einen Vorsprung.
Als ich mich vorbeuge und den Kopf in die Hände stütze, bemerke ich einen Umschlag, der gegen meinen Laptop gelehnt ist und auf dessen Vorderseite in dicken schwarzen Druckbuchstaben mein Name steht. Die maskuline Linienführung der Buchstaben lässt mich vermuten, dass er von Tommy ist. Aber in Anbetracht dessen, was mir heute bereits alles passiert ist, wäre ich auch nicht überrascht, wenn er von Barry Manilow käme. Oder von Dschingis Khan.
Es klopft an meiner Bürotür.
Wäre ich Humphrey Bogart, würde ich jetzt meine .38er aus der Schreibtischschublade ziehen, sie niedrig halten und auf die Tür zielen – mit einer aus dem Mundwinkel hängenden Zigarette, versteht sich. Aber ich habe nur einen Brieföffner aus Plastik und einen Klammerentferner, keiner von beiden verschießt Kugeln, und ich vergesse immer
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