Pechvogel: Roman (German Edition)
ich angerufen habe.
»Alex am Apparat.«
»Alex?«, sage ich, immer noch verwirrt.
»Ich bin Ihr Fahrer.«
»Stimmt, mein Fahrer! Wann sind Sie verfügbar?«
»Sobald Sie mich brauchen. Sind Sie bereit? Können wir loslegen?«
»So sieht es aus. Wie schnell können Sie hier sein?«
Kapitel 21
E ine Viertelstunde später versinke ich auf dem Rücksitz einer klimatisierten Lincoln-Town-Car-Limousine in den weichen Ledersitzen. Mein Chauffeur ist ein Typ Mitte zwanzig in schwarzem Anzug und Krawatte und fährt mich gerade die California Street entlang.
Wir sind auf dem Weg in mein Apartment, wo ich mich säubern, meine Kleidung wechseln und die Ausrüstung zur Glücksextraktion vorbereiten will, ehe ich mich daranmache, Tommys Liste abzuarbeiten. Auch wenn ich es durchaus schätze, freitags etwas legerer unterwegs zu sein, macht es einfach keinen guten Eindruck, in mit Blutflecken übersäten Jeans und ebensolchem Sweatshirt an den Türen millionenschwerer Villen zu klopfen.
Die Sache mit dem Chauffeur scheint mir etwas übertrieben zu sein, aber Tommy traut wohl dem öffentlichen Nahverkehr von San Francisco nicht zu, dass er mich von einem Opfer zum nächsten bringt. Ich will mich auch gar nicht beschweren. Derart im Luxus geschwelgt habe ich nicht mehr, seit ich Tucson verlassen habe.
Aber ich bin auch ein bisschen enttäuscht. Ich hatte eine Stretchlimousine mit Minibar, schalldichter Trennscheibe und genug Platz für mich und ein paar Stripperinnen aus dem Hustler Club erwartet. Oder vielleicht auch für beide Tuesdays, wenn alles richtig gelaufen wäre.
»Stimmt etwas nicht, Sir?«, fragt Alex, der mich im Rückspiegel beobachtet. Warum er nicht auf die Straße schaut, weiß ich nicht, aber offenbar sieht man mir meine Enttäuschung an.
»Ich hatte irgendwie auf eine Minibar gehofft.«
»Tut mir leid, Mr. Monday. Aber ich kann an einem Getränkemarkt halten, wenn Sie etwas brauchen.«
»Dann halten Sie lieber bei Starbucks oder bei Peet’s. Idealerweise bei einem in der Nähe eines Donut-Ladens. Mögen Sie Donuts?«
»Nicht so besonders.«
»Ich gebe Ihnen was aus«, sage ich und fühle mich besonders großzügig. »Was Sie wollen.«
»Nein danke. Ich bin Veganer.«
»Da ist es bestimmt schwierig, einen guten Donut zu finden.«
»Um genau zu sein, habe ich reichlich Rezepte für tolle vegane Nachspeisen«, erwidert er. »Und die sind auch viel besser für Sie als Donuts.«
»Ist das nicht ein Oxymoron?«
»Wie bitte?«
»Eine tolle vegane Nachspeise.«
Er wirft mir über den Rückspiegel einen bösen Blick zu. »Haben Sie schon mal vegan gegessen?«
»Klar. Ich esse jeden Morgen Lucky Charms.«
»Lucky Charms sind doch nicht vegan. Da sind Marshmallows drin, die Gelatine enthalten, die aus dem Kollagen von Rinder- oder Schweineknochen hergestellt wird.«
»Tja, das erklärt, warum die so lecker sind.«
Er starrt mich noch immer im Rückspiegel an. »Vielleicht sollten wir uns nicht weiter über unsere Lifestyle-Vorlieben unterhalten.«
»Guter Plan. Dann kann auch keine unangenehme Diskussion darüber aufkommen, dass ich in einem Schlachthof arbeite.« Sachen auf sich beruhen zu lassen war noch nie mein Ding.
»Wissen Sie eigentlich, dass die Tiere, die in Massen für den Verzehr gezüchtet werden, aus Gründen der Produktionssteigerung mit Antibiotika, Hormonen und anderen Chemikalien vollgepumpt werden?«, fragt er.
»Ich dachte, wir wollten das Thema auf sich beruhen lassen.«
»Und ihrem Futter werden Vitamine beigemischt, damit sie das ganze Jahr nur im Stall gehalten werden können. So verbreiten Krankheiten sich schneller als normal, was wiederum dazu führt, dass man die Tiere mit noch mehr Medikamenten vollstopft, damit sie eben nicht krank werden.«
»Das ist ziemlich vorausschauend gedacht, finden Sie nicht?«, gebe ich zurück. »Ich meine, immerhin müssen diese Kühe keine Krankenkassenbeiträge bezahlen.«
»Und Milchkühe«, plappert er weiter, »die die Milch für ihre Donuts geben? Denen werden Wachstumshormone injiziert, um ihre Produktionsmenge zu verdoppeln. Und sie werden getrennt voneinander aufgezogen und leiden emotional unter mangelnden Sozialkontakten.«
»Das kommt mir gar nicht so schlimm vor. Wenigstens müssen sie nicht auf dem Rücksitz einer Lincoln-Limousine sitzen und Ihnen zuhören.«
»Und sie werden andauernd befruchtet, damit sie immer weiter Milch geben.«
»Da möchte man doch gerne Bulle auf einer Milchfarm sein«, entgegne ich.
Wir
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