Pechvogel: Roman (German Edition)
Mr. Monday?«, fragt Tommy und hebt die Waffe. »Stehlen Sie sein Glück, und machen Sie mit Ihrem Leben weiter? Oder spielen Sie den hin- und hergerissenen Helden, und wir machen mit Ihrem Tod weiter?«
Ultimaten waren noch nie mein Ding.
»Es sollte ein Grande Cappuccino sein«, sage ich. »Und wenn Sie Donuts oder irgendwas mit Rosinen oder Früchten finden, wäre das toll.«
»Eine gute Entscheidung.« Tommy steht auf, steckt die Waffe wieder ein und reicht seinem Schläger den Schlüssel zu Jimmys Zimmer. »Ich lasse Ihnen den Kaffee und das Gebäck hochschicken. Sobald Sie Ihren Imbiss verspeist haben, haben Sie fünf Minuten, um mir das Glück zu besorgen. Noch Fragen?«
»Ja. Sind Sie Veganer?«
Tommy lacht nur und geht zur Tür.
Vielleicht kann ich es ja trotzdem irgendwie vermeiden, Jimmys Glück zu stehlen. Und einen Weg finden, um Tommy mit dem Pech zu infizieren. Oder die Polizei wissen zu lassen, dass Tommy ein entführtes Kind als Geisel hält. Oder ich reise einfach in der Zeit zurück und beginne diesen ganzen fürchterlichen Tag noch einmal von vorn.
»Und übrigens«, fügt Tommy hinzu, als er bereits im Türrahmen steht, »falls Sie auf die Idee kommen sollten, sich was Schlaues einfallen zu lassen: Ich habe Ihre Schwester in einem der anderen Zimmer auf dieser Etage eingesperrt.«
Dann schließt sich die Tür, und er ist fort. Zurück bleiben der Schläger mit der Gurke im Hintern und ein Wilderer, der nach seiner Selbstachtung sucht.
Kapitel 36
D a sitze ich nun und warte wie ein Cop, der seit drei Monaten trocken ist und sich am liebsten einen richtigen Drink gönnen würde, auf meinen Kaffee und meinen Donut. Allerdings hat meine Unruhe nichts mit meiner Abhängigkeit von Starbucks oder fettigem Gebäck zu tun. Vielmehr rührt sie daher, dass dieser Tag – mit den Worten von Barry Manilow – ein komplettes Desaster ist.
Zwar halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass Tommy in Bezug auf Mandy lügen könnte. Doch wenn man bedenkt, dass Alex Tommy von Jimmy Saltzman erzählt hat, spricht nichts dagegen, dass er auch meine Schwester verraten hat. Und wenn Tommy einen Zehnjährigen in den zwanzigsten Stock des Sir Francis Drake schaffen kann, ohne dass es Aufmerksamkeit erregt, dann habe ich nicht den geringsten Zweifel daran, dass meine Schwester hier irgendwo auf der Etage ist. Und dass sie vermutlich ziemlich sauer ist. Höchstwahrscheinlich auf mich.
Um mich von meiner Schwester und Jimmy und dem Chaos des heutigen Tages abzulenken, fange ich ein Gespräch mit Tommys Schläger an.
»Und wie heißen Sie?«, frage ich.
Keine Reaktion. Der Schläger verharrt stumm und mit gefalteten Händen vor mir und erinnert mich an eine Statue mit Verstopfung.
»Wie lange arbeiten Sie denn schon für Tommy?«
Noch mehr Schweigen.
»Hat Ihnen mal jemand gesagt, dass Sie ein exzellentes Benehmen haben?«
Nichts. Nicht mal ein Gähnen oder ein böser Blick.
So viel zum Thema Small Talk.
Ein paar Minuten später werden mein Cappuccino und mein Donut von Starbucks geliefert. Der Schläger von draußen bringt sie herein und lädt beides auf dem Glastisch neben der Glückskatze ab; dann nickt er dem anderen Schläger als Zeichen der Schläger-Verbundenheit zu und nimmt wieder seinen Posten vor der Tür ein.
Ich nehme den Donut aus der Tüte und fange an zu essen. Jeden Bissen spüle ich mit etwas Cappuccino herunter, lasse mir Zeit und suche weiterhin nach einem Ausweg.
Wenn es mir irgendwie gelingt, das Pech aus meinem Rucksack zu holen und in meinen Cappuccino zu kippen, könnte ich damit den Schläger begießen, von hier abhauen und hoffentlich auch Jimmy und Mandy retten. Dummerweise fixiert der Schläger mich wie ein besessener Stalker. Das macht es schon schwierig, sich am Arsch zu kratzen, ohne verdächtig zu wirken.
Wäre ich bloß früher auf die Idee gekommen, hätte ich auf die Toilette gehen können, um die Phiole mit dem Pech herauszuholen und sie dann in der Hand zu halten oder in die Tasche zu stecken. Dann könnte ich sie jetzt einsetzen. Dummerweise habe ich mich auf meinen inneren Indiana Jones verlassen und deshalb schlicht nicht daran gedacht, so weit vorauszuplanen. Außerdem ist der Gedanke alles andere als reizvoll, eine zerbrechliche Phiole mit Pech in der Hand zu halten oder sie in der Tasche zu haben. Das Pech in einem Beutel mit der Hausmischung von Starbucks mit sich herumzutragen finde ich schon gruselig genug.
Apropos gemahlener Kaffee: Da kommt mir eine
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