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Pechvogel

Pechvogel

Titel: Pechvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Fuchs
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Konzert schon lief? Hau die Alte weg. Die hat nicht mal deinen kleinen Finger verdient.«
    »Du bist süß, Sandra«, sagte Richard, »darum bist du auch meine beste Freundin.«
    »Weil ich süß bin?«
    »Nein.«
    »Das will ich auch hoffen, ich bin nämlich nicht süß.«
    »Das weiß ich doch. Du bist Lara Croft und nicht Sissi.«
    »Gerade noch mal die Kurve bekommen, Richard. Und weiter.«
    »Ich hab dann am Montag bei ihr zuhause angerufen, weil sie nicht an ihr Handy rangegangen ist. Ihre Mutter hat abgehoben. Ich erkundigte mich nach ihrem Zustand. Ihre Mutter fragte, was für einen Zustand. Na wegen der gebrochenen Finger, sagte ich. Gabi hat sich keine Finger gebrochen, sagte sie. Der geht es ausgezeichnet. Sie ist weggefahren, sagte sie. Bum, das hatte gesessen.«
    »Die Alte lügt dich doch schon seit einem halben Jahr an und total gestört ist die auch. Dein Leben ist zu kurz, um dich mit so einer abzugeben«, sagte Sandra und klopfte mit der Faust auf den wackeligen Bistrotisch.
    »Ja, nach der Lüge mit ihren gebrochenen Fingern fehlt bei mir nicht mehr viel, damit ich ihr sagen kann, dass es so einfach nicht weitergeht«, sagte Richard gedrückt.
    Richards Handy klingelte. Er zog es aus seiner Hosentasche.
    »Gabi«, flüsterte er Sandra zu und klappte das Handy auf.
    »Hallo«, sagte Gabi.
    »Hallo«, sagte Richard. »Wo bist du gerade?«
    »Im Supermarkt. Kaufe gerade ein paar Tiefkühlpizzas ein.«
    »Aha«, sagte er gedehnt.
    »Ich muss dir was sagen«, sagte sie ohne erkennbare Vibrationen in der Stimme.
    Richard dachte an eine klärende und sehr ausführliche Entschuldigung für den Mist, den sie verbockt hatte.
    »Ja?«
    »Das mit dir war ganz okay. Wir werden uns ja vielleicht mal wieder sehen.«
    Richard schüttelte nur den Kopf, sah sein Handy an und führte es wieder zum Ohr.
    »War es das etwa?«
    »Ja«, sagte sie, »mach’s gut.«
    Gabi hatte aufgelegt.
     

Reiseverkehrskaufmann
     
    September, vor zwei Jahren
     
    Richards Arbeitsweltkarussell hatte sich vor einem halben Jahr erneut gedreht.
    Nach seiner Lehre zum Einzelhandelskaufmann hatte er ein Jahr Brot in einer Bäckerei verkauft, dann ein halbes Jahr Möbel in einem Discounter, das nächste halbe gebrauchte Autos (Richard verstand nichts von Autos, trotz KFZ-Meister-Vater; das störte Inhaber Hans Geier aber nicht), dann war er arbeitslos und half bei der Säuberung der Stadt. Bis seine zweijährige Berufung als Bestattungshelfer in einem Beerdigungsinstitut begann. Aber auch das war mittlerweile Geschichte.
    Richard wurde zum Ende seiner Leichenzeit die seelische Kommunikation mit den Dahingeschiedenen zu viel. Er kam sich vor wie in einem mystischen Hollywoodmovie. Daher musste er auch diesem Berufsbild den Rücken kehren. Aber Richard ist dem Metier treu geblieben. Zuvor hatte er die Toten auf Reisen geschickt, nun die Lebenden. Das nimmt sich nicht viel.
    Richard arbeitete nun als Reiseverkehrskaufmann. Mit seiner Ausbildung und seinem verkäuferischen Können kam er schnell im Reisebüro Köpke Reisen, das unweit des Marienplatzes lag, unter.
    Reiseverkehrskaufmann. Was für ein langer wichtiger Name für einen so nichtigen und uninspirierenden Beruf. Da Richard das Reisen hasste, war auch klar, dass er kein gutes Härchen an dem Berufsbild des Reiseverkehrskaufmanns ließ. Für Richard ein wahrer Traumjob.
    »Was macht man nicht alles, um am Ende des Monats Geld auf seinem Konto zu haben«, flüsterte er immer wieder vor sich hin, wenn es einen weiteren langweiligen Tag wie heute zu überstehen galt.
    Richard war zumindest farblich aufgestiegen. War sein vorheriger Arbeitsplatz doch sehr von Grau- und Schwarztönen bestimmt, so war es nun schön bunt.
    Ein buntes Reisebüro. Köpke Reisen – Der Urlaub beginnt schon im Reisebüro. Wenn Richard von seinem Schreibtisch aus nach hinten blickte, lachten ihm folgende glückliche Menschen entgegen: die kaffeebraune Südamerikanerin, die wasserstoffblonde ehemalige Cherleaderin aus dem Nationalpark in den USA, die gescheite und studierte Oxfordabgängerin mit dem Fingerzeig auf den Tower in London, die feurige Spanierin beim Flamenco, der nette Italiener aus der Trattoria, der stramme Schwede beim Lachsfischen, die kindlich lächelnde Thailänderin in Volkstracht, der ernste Russe beim Wodkasaufen mit dem Präsidenten.
    Nein, das hab ich dann doch woanders gesehen, dachte er.
    Richard fühlte sich an seinem neuen Arbeitsplatz so wohl, dass er schon wodkasaufende Präsidenten

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