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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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das sich ihr in den Weg stellte, auf jede ihr mögliche Art und Weise niederwalzte. Sie war davon überzeugt, ich könnte Rita Cassia nicht das winzigste Tüpfelchen der sexuellen und sinnlichen Wonnen bieten, die sie ihr zu schenken gedachte, sobald sie ihre Hand auf sie gelegt hatte. Als Frau hielt mir Rita Cassia die Treue, verwandelte sich aber in ein schnurrendes und anmutiges Kätzchen, sobald die Lesbe, die ihr die goldenen Tore zu O'Mundo öffnen sollte, erschien. So verging die Zeit. Wir hatten viel Spaß. Ich war glücklich und vergaß, was für ein alberner Hungerleider ich im Grunde war. Ein Bettelmann, stolz und romantisch. Die Krise nahm ihren Lauf, und unser Hunger wurde beißender. Da man aber immer nur den Splitter im Auge des anderen sieht, sagt man sich: »Alle hungern und werden täglich dünner.« Rita Cassia bezahlte für alles. Ich hatte nicht einen einzigen Dollar im Portemonnaie und nahm wortlos hin, dass sie immer zahlte. Die Alternative für mich wäre gewesen, nach Hause zu gehen, mich zu langweilen, Reis mit Bohnen zu essen und allen Spaß zu verpassen. So standen die Dinge, bis das Ende kam.
    Ich lag auf dem Bett mit dem letzten Schluck des sieben Jahre alten Rums im Glas. Rita Cassia zog sich an, damit wir den Malecón entlangschlendern und uns am Meer Lebewohl sagen konnten, spät in der Nacht, wie es sich für zwei Liebende in Havanna gehörte. Es sollte ein Kino-Finale unter dem Sternenhimmel werden, vielleicht sogar bei Mondschein. Sie hatte ihren Koffer schon gepackt. Um drei Uhr früh würde sie zum Flughafen fahren. Da fiel mir auf, dass sie ein paar wertvolle Gegenstände im Zimmer verstreut liegen gelassen hatte: ein Paar Gummilatschen, gebraucht, aber noch in gutem Zustand, eine halbe Flasche Shampoo, einige Gläser Konfitüre, Notizblöcke, Seifenstücke, einen Einwegrasierer. »Willst du das alles hier lassen?«
    »Klar. Unnützer Kram.«
    »Von wegen. Diese Gummilatschen, das Shampoo, die Seifenstücke. Hier ist nichts unnütz. Alles ist noch zu etwas gut, selbst wenn es für dich Müll ist.«
    »Na schön, dann packen wir alles in eine Tüte, und du nimmst es mit.«
    Ein Weilchen später spazierten wir über den Malecón und nahmen Abschied voneinander. Wir haben uns später nie wiedergesehen. Sie hatte mir schon erklärt, dass es ihr wehtue, so viel Armut zu sehen und so viel politisches Theater, um sie zu kaschieren. Sie wollte nie wiederkommen. Wir saßen eine Weile da und lauschten dem Meer. Sie konnte es riechen, ich nicht. Vielleicht war meine Nase zu sehr daran gewöhnt. Ich lausche gern dem Meer vom Malecon aus, spät in der Nacht, wenn alles still ist. Wir küssten uns und nahmen Abschied. Ich ging nach Hause mit der Tüte in der Hand. Ganz langsam. Ich fühlte mich gut. Und ich ging Schritt für Schritt, ohne mich ein einziges Mal umzusehen.

 
     
Auf der Suche nach innerem Frieden
     
    Noch fehlte meinem Leben die richtige Mischung aus Geselligkeit und Einsamkeit. Damit will ich sagen, ich war immer noch nicht im Lot, und meine Einsamkeit schien mir gigantisch.
    Langsam kam ich ins beste Alter. Aber ich musste teuer dafür zahlen. Auch für Pedroján war es anstrengend mit mir allein. Wir stritten uns und hatten so manchen heftigen Krach. Um ihn bei unserem letzten Streit nicht zu schlagen, lenkte ich die ganze tief in meinem Innern angestaute Aggression auf die Brille, die meinen Astigmatismus korrigieren sollte, und zerdrückte sie mit einer Hand. Noch immer weiß ich nicht, warum ich mir an den Glasscherben nicht die Hand zerschnitt. Das Ergebnis davon waren Kopfschmerzen und Schwindel-anfälle über lange Jahre. Zu der Zeit gab es in Kuba nicht einmal Schrauben für das Gestell. Schließlich fand ich eine neue Brille. Seitdem nahm ich mir vor, Frieden mit mir selbst zu schließen und gelassener zu werden.
    »Pedro, entweder du hasst dich oder du liebst dich. Wenn du das herausgefunden hast, bist du auf dem richtigen Weg, deinen Kleinkrieg gegen den Rest der Welt beizulegen.« Das also nahm ich mir vor. America half mir dabei. Ich suchte sie mit dem Fahrrad in Maríanao auf. Sie wollte mir den Kopf frei machen, und ich brachte ihr alles für das Ritual Notwendige mit: Kokosnuss, weiße Blumen, Rum, Eier, Honig, Kerzen und ein paar Kräuter. Auf dem Rückweg musste ich den Almendares-Fluss überqueren, von dem aus die Verzweifelten nach Miami aufbrachen. Sie bauten dort kippelige Flöße aus Autoreifen, Brettern und Stricken und überließen sich munter dem

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