Pedro Juan Gutiérrez
hunderte Stücke Porzellannippes aus Europa und China, Objekte aus Jade, dunklem Elfenbein und Bronze. Alle antik, legal und von exzellenter Qualität. Er ist ein Kenner und hat sie sich nach und nach angeschafft, im Laufe seines Lebens, hat günstige Gelegenheiten genutzt, sie billig zu erwerben, vor allem von verarmten alten Frauen. Bis zu einem gewissen Grad leisten diese Frauen stolz Widerstand, doch irgendwann sind sie es leid, Hunger zu schieben, und dann verkaufen sie billig Perlenketten, Goldbroschen, Lampen, Porzellanpuppen, die Esszimmergarnitur aus Eiche, Teppiche, verkaufen einfach alles zu Schnäppchenpreisen, um essen zu können und noch ein bisschen länger zu überleben. Roberto stellt ihnen seit Jahren nach, ruft sie an, besucht sie, bringt ihnen kleine Geschenke: ein Pfund Milchpulver, einen Schinken, ein Beutelchen schwarzen Tees, ein Glas Tomatensauce, alles versüßt durch Klatsch, Witze und Anekdoten.
Roberto ist undefinierbaren Alters über die sechzig hinaus, schamlos, zynisch, pervertiert und eine Tunte - eine Obertunte. Ein paar der verarmten alten Frauen sind ebenfalls schamlos. Einige von ihnen waren »Begleiterinnen«, wie sie sich gern nennen, der elegantesten Herren Havannas. Roberto nennt sie manchmal Hetären, und sie kichern und schwelgen in Erinnerungen. Er borgt ihnen für ein paar Tage Pornohefte, und sie sind völlig fasziniert und erregt angesichts dieser Farbfotos, auf denen sich schöne Körper paaren. Mit anderen Worten, Roberto nutzt jede Art von Zugriff. Alles ist recht, um in den Besitz eines Objektes zu gelangen. Er hat das Vertrauen und die Freundschaft von zig einsamen, verarmten Damen gewonnen, vor allem im Zentrum Havannas, in El Vendado. In Alt-Havanna gibt es nicht mehr viele Exemplare dieser Spezies, sie wurde fast völlig ausgerottet. Roberto war stets gewandt, gut aufgelegt, schwatzhaft und vertrauenerweckend. Er hegte eine Leidenschaft für grüne Teppiche, rote Samtvorhänge, goldgerahmte Spiegel, gedämpftes Licht, schwülstige Parfüms und Zarzuela-Musik. Er war entzückt von El Pichi und Las Leandras, Flitter und Spitzen, von klickenden Absätzen und üppig wallenden Rüschen. Eingemottet in Naphtalin hingen in seinem Schrank spanische Tanzroben, Kastagnetten und Dessous aus Spitze. Schon seit langer Zeit trug er diese Kleider nicht mehr auf den Wahnsinnspartys, die er in seiner Wohnung zu geben pflegte und auf denen er Lola Flores imitierte, deren gesamtes Repertoire er auswendig kennt, und alle amüsierte. Hinterher stellte er immer fest, dass man ihm Aschenbecher, Gläser, Silberbestecke, Krüge und Bronzefiguren geklaut hatte. Das entrüstete ihn zunehmend, bis er sich eines Tages sagte:
»Alle vornehmen Leute haben Kuba verlassen. Geblieben ist der Abschaum, der Plebs, verdammte Scheiße! Nur die Scheiße ist geblieben! Ich gebe keine Partys mehr! Schluss, aus!« Zufällig lief im Radio gerade ein Salsa-Hit:
Wir sind die, die ihr haben könnt, die sich verkaufen wie warme Semmel, die den Leuten gefallen... Wir sind das Beste.
»Das Beste?« fragte sich Roberto. »Das Beste?« Er stellte das Radio aus und widmete von dem Moment an seine gesamte Zeit seiner Malerei und seiner Antiquitätensammlung. Er malte mit grobem Strich einige Ölbilder in grellen Farben von Chinesinnen in Kimonos, die über Brücken trippelten, von Paaren, die sich im Abendlicht zum Schäferstündchen unter Kokospalmen einfanden, kopierte die Nackte Maja und fabrizierte andere Scheußlichkeiten dieser Art. Doch sie verkauften sich gut zu niedrigen Preisen. Bis zu sechs Machwerke dieser Art schaffte er pro Tag, in Serienanfertigung. Er legte drei Leinwände nebeneinander vor sich hin und trug auf: Blau für Wasser, Blau für Wasser, Blau für Wasser. Dann kam die Brücke, die Brücke, die Brücke. Dann die Chinesin im Kimono, die Chinesin im Kimono, die Chinesin im Kimono. Danach rechts eine Trauerweide, eine Trauerweide, eine Trauerweide. Dann wieder malte er wochenlang Dutzende afrikanische Königinnen, die von schlanken schwarzen Epheben in ägyptischen Pharaonengewändern in chinesischen Sänften durch den Urwald getragen wurden, in dem Anacondas von den Bäumen herabhingen und Löwen ihren Kopf zwischen den Büschen hervorsteckten. In den Hintergrund setzte er Elefanten und Giraffen. Er hatte seine Stammkunden. All das fand seine Abnehmer, solange diese nie zuvor ein richtiges Gemälde gesehen hatten. Roberto war glücklich, bezeichnete sich selbst als erfolgreichen Maler
Weitere Kostenlose Bücher