Pedro Juan Gutiérrez
und war davon überzeugt, dass man im Nationalverband der Künste einen grenzenlosen, tödlichen Neid ihm gegenüber hegte. »Seit Jahren versuche ich, dem Verband beizutreten, aber man ist dort so neidisch auf mich, dass man mich nicht annehmen will. Sie wissen, dass ich sie in den Schatten stelle.« Er liebte es, diese hochtönenden Sätze immer wieder von sich zu geben, und war höchst zufrieden mit sich selbst. So konzentrierte sich Roberto jeden Tag mehr auf seine Malerei und seine gierig zusammenge-tragene Sammlung von Antiquitäten. Keinen Sex mehr, keine Partys, kein Ausgehen und keine Unterhaltung. Nie hatte er einen festen Partner. Ihm gefielen Schwarze. Sie gefielen ihm nicht nur, er war geradezu besessen von ihnen. Doch seit dem Überfall fürchtete er sich vor ihnen.
Es geschah an einem Samstagabend vor ein paar Jahren. Drei riesengroße, verführerische Schwarze standen an seiner Tür. Das mochte nicht weiter ungewöhnlich erscheinen, denn es war bekannt, dass er gut zahlte. Ihn wunderte nur, dass es drei waren. Machos haben nicht gerne Zeugen bei ihren Fre-veleien mit Schwulen. Zum Glück wurde ihm das rechtzeitig klar, und er öffnete ihnen nicht die Gittertür. Nur die Haustür machte er auf. Als sie sahen, dass er sie nicht einlassen wollte, zogen sie sich die Hosen runter und zeigten ihm ihre Kampfausrüstung. Beim Anblick dieser voluminösen Muskel-kraft wurde Roberto nervös. Er war gelähmt wie ein Reh, außerstande, vor den hungrigen Wölfen zu flüchten. Er trat an das Gitter und streckte die Hand nach den fabelhaften Schwänzen aus. Keinen Augenblick lang dachte er daran, die Gittertür zu öffnen, denn die drei Männer hatten Mörder- und Verbrechervisagen. Sie waren keine normalen Typen aus der Nachbarschaft, die von Zeit zu Zeit zu ihm kamen, ganz heimlich, damit niemand mitbekam, dass sie dieser alten Schwuchtel für fünfzig Pesos ihren Schwanz reinschoben. Nein, das hier waren echt harte Kerle, riesig, stark, mit Goldketten um den Hals und rasiertem Schädel. »O was für ein Ding, lass mich mal anfassen«, flötete Roberto zu einem von ihnen und trat an das Gitter. Der Typ ergriff seinen Arm, packte ihn mit der anderen Hand an der Kehle und schlug seinen Kopf gegen die Gitterstäbe. »Los, du Scheißschwuchtel, raus mit dem Schlüssel, sofort her damit!«
Roberto sagte keinen Piep. Er verlor das Bewusstsein und sank zu Boden. Das rettete ihn. Die Diebe liefen davon, als sie all das Blut sahen. Als Roberto ein paar Minuten darauf wieder zu sich kam, sickerte immer noch Blut aus einer Wunde am Kopf und strömte ihm übers Gesicht.
Er musste ins Krankenhaus. Der diensthabende Polizist brachte ihn auf die Wache, damit er seine Anzeige zu Protokoll geben konnte. Dann veranstaltete man einen großen Aufstand und suchte nach Fingerabdrücken in Robertos Wohnung und rekonstruierte den Tatbestand. All das machte Roberto sehr nervös, er war noch immer zu Tode erschrocken und stand unter Schock. Nie hätte er für möglich gehalten, dass ihm so etwas geschehen könnte. Er verbarrikadierte sich in seinem Haus, befürchtete, dass die Verbrecher zurückkommen könnten, um mit ihm abzurechnen, weil er sie angezeigt hatte. Er hatte große Angst. Den ganzen Tag rutschte er in seinem Sessel hin und her und rauchte Zigaretten. Er war von Sehnsucht gepackt, von Angst, Schrecken, Ängstlichkeit und Depression. Er wollte gar nicht mehr hoch von seinem Sessel. Neben ihm stand eine kleine arabische Schatulle. Darin verwahrte er das Foto eines bildbübschen jungen Mädchens. Auf der Rückseite stand eine Widmung: »Für Roberto in Liebe von seiner Verlobten Caruca. Havanna, den 12. September 1932.« Beide waren zu der Zeit sechzehn gewesen. Sie gefiel ihm sehr. In den drei Monaten ihrer Verlobung gab es zwischen ihnen nur Küsschen. Sie wollte mehr, zumindest, dass er mal nach ihrem Busen fasste. Also beschloss sie, selbst die Initiative zu ergreifen. Im Kino wurde Mata Hari mit Greta Garbo gezeigt. Sie legte ihm die Hand auf die Hose, auf den Schritt, und ließ sie langsam, vorsichtig tastend weitergleiten. Sie suchte, fand aber nichts. Roberto brach kalter Schweiß aus, und er zitterte. Voller Hoffnung tastete sie weiter vor, aber da war gar nichts. Sie war eine resolute junge Frau und beschloss, den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie öffnete die Gürtelschnalle, knöpfte die Hose auf und schob ihre Hand hinein. Er war unbehaart. Irgendwo in einer Ecke fand sie einen winzigen, verrunzelten, scheuen
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