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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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weit auf und begann Riesenstrahlen abzuspritzen - genau auf mich. Ich sprang gleich zurück, aber er spritzte über zwei Meter weit wie ein Gartenschlauch. Ich habe immer noch nicht begriffen, wie der Trottel so viel Sperma produzieren und speichern konnte. Er drehte sich um und verspritzte seinen Samen weiter über das ganze Büro. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen! Ich erzähle keine Märchen! Hätte man mir die Geschichte erzählt, hätte ich kein Wort geglaubt. Dieser schwarze Trottel verfügte über mindestens einen Liter Sperma, dickflüssiges, konzen-triertes Sperma. Um ein Haar hätte ich mich auf ihn gestürzt und in den Arsch getreten, aber ich beherrschte mich. Schließlich war er nur ein armer Scheißtrottel. Ich hasse Gewalt gegenüber Schwächeren. So stand ich da und wusste nicht, was ich tun sollte.
    Aber nur einen Moment. Luisa kam mit einem Stück Papier zu mir gelaufen, um mich sauber zu wischen. Ich sprang ihr ins Gesicht, stieß sie zurück und teilte ihr mit, sie könne sich in die verdammte Fotze ihrer Mutter verpissen. Ich ging und kehrte nie wieder in die Fabrik zurück. Viele Tage lang sprachen Luisa und ich kein Wort miteinander. Sie arbeitete noch ein paar Monate weiter in der Fabrik, bis sie wegen Rohstoff- und Elektrizitätsmangels geschlossen wurde. Die Krise machte alles zunichte. Eine Weile schoben wir Hunger und waren ziemlich am Arsch, bis ich genug von diesem ganzen Elend hatte und eine Entscheidung traf.
    Eines Nachmittags packte ich Luisa und kam gleich zur Sache.
    »Okay, Schluss jetzt mit dem Herumsitzen und Kohldampf schieben. Du gehst sofort auf dem Malecón anschaffen!« Und es war eine gute Entscheidung. Seit einiger Zeit bringt diese Mulattin bis zu dreihundert Dollar die Woche nach Hause. Endlich! Zum Teufel mit der Armut!

 
     
Die Hölle hinter sich bringen ?
     
    Ich kam aus einem winzigen Kino an der Industria hinter dem Kapitol. Dort werden alte Filme gezeigt. Die Brücke am Kwai. Beim Gehen pfiff ich den Marsch eine Weile vor mich hin. Als der Film rauskam, war ich sieben. Vierzig Jahre waren vergan-gen, und ich pfiff immer noch dieselbe Melodie. Vielleicht gibt es außer Kuba keinen Ort auf der Welt, an dem du gleichzeitig du selbst und viele andere sein kannst. Aber es ist schwer. Man versucht sich an einem kleinen, überschaubaren Ort auszurichten. Man wird schwindelig, wenn man darüber nach-denkt, wie groß die Welt ist. Oder wie winzig klein man ist.
    Es war schon fast dunkel. Ich ging meinen Weg durch Havanna wie jemand, der eine Kriegszone durchquert, bis ich zur Kneipe an der Ecke Laguna und Perseverancia kam. »Wie geht's, Lily, was gibt's Neues?«
    »Neues? Schau her, möge Gott in seiner Größe Erbarmen haben.«
    Aus dem Nachbarhaus wurde auf einer Bahre ein mit einem Laken bedeckter Toter getragen und in einen Krankenwagen geschoben. Ich hatte den Eindruck, es roch nach Verwesung. »Wer ist das?«
    Lily beachtete mich überhaupt nicht. Sie starrte auf den Krankenwagen im Lichtschatten der Straße. Sie bekreuzigte sich zweimal und wiederholte »Erbarmen«.
    Ich stand eine Weile an den Tresen gelehnt und schwieg. Zwei Schwarze betraten die Kneipe. Lily hatte eine Flasche Rum, und sie begannen zu trinken.
    Der Tote war ein Seemann von dreiundvierzig. Er war seit Urzeiten ihr Nachbar gewesen. Vor sechs Monaten war er von einer Reise zurückgekommen und hatte eine wunde Stelle auf der Zunge. Krebs. Sehr rasch baute er ab. Er spuckte Blut und stank. Bevor er starb, war er mehrere Tage bewusstlos gewesen. Er war ein fröhlicher Mensch und wollte rasch gesund werden, um bald wieder in See stechen zu können. Er hinter-ließ drei Kinder. Bei all diesen Scheißkerlen, die frei umher-laufen, musste ausgerechnet dieser Mann dran glauben, diese Seele von Mensch, denn niemand im ganzen Viertel hatte sich rührender um seine Frau und Kinder gekümmert et cetera.
    Ich hörte mir die Geschichte bis zu Ende an und ging dann. In den letzten Tagen hatte ich viel von Krebsfällen gehört. Alle starben an Krebs. Ich pfiff weiter meinen Kwai-Marsch, und mir fiel ein, dass ich nichts zu essen im Haus hatte. In meiner Tasche fand ich sieben Pesos. Ein Typ kam vorbei, der Pizza verkaufte. Ich kaufte ihm eine ab. Die Pizza verdiente ihren Namen nicht, ein Italiener wäre bei ihrem Anblick der Länge nach hingeschlagen. Eklig, kalt und hart wie ein Toter mit Leichenstarre. Ich schluckte tapfer. Zwei Pesos waren mir noch geblieben. »Gott wird schon für dich sorgen«,

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