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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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pflegte eine meiner Schwiegermütter zu sagen, als ich noch Schwiegermütter hatte. Na, dann wollen wir mal darauf vertrauen. Morgen würde ein neuer Tag sein, und irgendetwas würde schon geschehen.
    So lebt man in Wirklichkeit: Stück für Stück, jedes Stückchen mit dem nächsten verbindend, jede Stunde mit der nächsten, jeden Tag, jede Etappe, Menschen von überall, die man im Innern trägt, und setzt sein Leben zusammen wie ein Puzzle.
    Ich spreche nicht gerne über die verschiedenen Etappen in meinem Leben, weil sie schmerzliche Erinnerungen wachrufen. Aber es ist nun mal so. Man lebt in Kapiteln. Und das muss man akzeptieren. Viele Leute in meiner Umgebung haben mir das Herz mit Rachsucht und Hass vergiftet. Es war vorauszusehen, wohin das führte: Ich würde ein Teil des Chaos und immer weiter bergab schlittern, bis ich in der Hölle landete. Wenn ich dann in siedendem Öl auf schwefeligen Flammen briet, war alles zu spät. Mein Fell war schon angesengt und stank nach Schwefelgasen, als ich es schaffte, meinen Fall aufzuhalten. Und ich begann, das Beste von mir wieder aufzulesen. Das kostete mich viel Mühe. Ich war nicht mehr derselbe. Glücklicherweise ist das Leben unwiderruflich. Aber vor allem rutschte ich nicht weiter ab in die Hölle. All die vielen Prüfungen, die man im Leben zu bestehen hat. Wenn man nicht weiß, wie, oder dazu außerstande ist, sitzt man fest. Und dir bleibt vielleicht nicht einmal die Zeit, dich zu verabschieden. Der Fahrstuhl war wieder kaputt und die Treppe dunkel, ohne jede Glühbirne. Man klaut die Glühbirnen, macht den Fahrstuhl kaputt, baut heimlich immer mehr an für immer mehr Leute, und eines Tages wird das Gebäude in sich zusammenfallen. Mir steht dieses ganze Elend bis zum Hals. Die Kretins haben erneut auf den Treppenabsatz zwischen dem vierten und fünften Stock geschissen. Der Gestank war unerträglich. Die Hausverwaltung versuchte ständig das Schloss am Eingang reparieren zu lassen, um die Tür verschlossen zu halten, besonders nach Einbruch der Dunkelheit, denn am frühen Morgen kommen ständig alle möglichen Leute ins Treppenhaus, um alle möglichen Dinge zu tun: vögeln, Marihuana rauchen, scheißen, pissen. Aber es ist unmöglich, das Schloss immer wieder auszuwechseln und für jeden der Bewohner einen Schlüssel zu bekommen. Davon kann man nur träumen.
    Dieses Haus war einst ein elegantes, achtstöckiges Gebäude, mit Fassaden im Boston-Stil an der Ecke San Lázaro und dem Malecón. Jetzt ist es völlig verkommen. Heute wohnen hier nur Schwarze, alte Weiber, ein paar junge Nutten und auch ein paar alte, heruntergekommene, deren große Zeit abgelaufen ist, alte Trunkenbolde und Dutzende Zuwanderer aus Guantánamo, die in Schüben eintreffen und es irgendwie schaffen, sich mit zwanzig Leuten ein Zimmer zu teilen.
    Trotzdem versuchen diese Träumer von der Hausverwaltung weiterhin ein neues Schloss für die Tür zu bekommen und für Sicherheit und Ruhe im Treppenhaus zu sorgen. Das Gebäude zerbröselt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es steht direkt am Meer, und die salzhaltige Luft zersetzt es förmlich, und niemand weiß, an wen man sich wenden könnte, um es zu reparieren.
    Na ja. Ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich das alles erzähle, denn eigentlich ist es mir doch ganz egal. Ich hätte längst auf einem Floß fliehen können. Gelegenheiten, es meinen Freunden gleichzutun, gab es viele. Aber nein. Ich bin viel im Golf herumgeschippert und weiß, wie die Karibik ist. Flöße machen mir Angst. Manchmal ist es nicht gut, so viel zu wissen. Glücklich sind die Unwissenden. Die Leute halten sie für mutig, weil sie sich auf einem Lastwagenreifen hinaus aufs Meer wagen, um nach Miami zu gelangen. Dabei sind sie nicht mutig, sondern eher Kamikaze. Auf dem Dach war es heute mal richtig ruhig, bei all dem sonstigen Trubel. Die Hitze war entsetzlich. Kein Lüftchen wehte. Das Meer war spiegelglatt. Der Himmel würde herrlich klar mit Vollmond sein. Vom achten Stock aus kann man weit sehen. Mich hielt es nicht in meinem Zimmer, es ist der reinste Ofen. Wir hätten einen Platzregen nötig, um alles etwas abzukühlen. Ich zog mich nackt aus und ging auf die Terrasse. In den Tanks war noch etwas Wasser. Ich duschte und stand dann da, um mich im Wind zu trocknen. Hier oben auf dem Dach gibt es sieben Zimmer. Der Einzige, der allein lebt, bin ich. Die Leute leben nicht gern allein. Ich schon, so muss ich für niemanden die Verantwortung tragen. Nicht einmal für

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