Pedro Juan Gutiérrez
mich. Schon immer war ich viel zu ver-antwortungsbewusst. Jetzt ist Schluss damit. Jetzt kommt gelegentlich eine Nachbarin und verbringt mit mir die Nacht. Sie ist zweiunddreißig, schwarz, sehr schlank und sehnig. Wir mögen uns und haben wunderbaren Sex miteinander. Sie ist tiefschwarz und hat einen starken Geruch unter den Achseln und zwischen den Beinen. Das erregt mich so stark, dass wir wie die Verrückten herumtollen. Aber weiter geht's nicht. Seit der Nacht, in der sie einem Typen dreihundert Dollar abgeknöpft hatte, war Luisa nicht wiedergekommen. Die Mulattenschlampe glaubte, sie habe das große Los gezogen, und wollte mit niemandem teilen. Zwei Monate hatte ich sie jetzt nicht gesehen. Irgendwann in den nächsten Tagen würde sie mit einer Geschichte und ohne einen Centavo in der Handtasche ankommen.
Von überall her ertönten Trommeln. Es war der 7. September, der Vorabend zum Festtag La Caridad del Cobre. Das Trommeln kam aus allen Richtungen, und mir fielen Abenteuerfilme aus dem Kongo ein. »Wir sind von Kannibalen umzingelt.« Aber nein, die Schwarzen ehrten nur die heilige Jungfrau. Das war alles. Feiernde Schwarze. Nichts zu befürchten.
Von hier oben wirkte die ganze Stadt dunkel. Das Elektrizitätswerk Tallapiedra stieß dicken, schwarzen Rauch aus, der sich nicht bewegte. Es wehte kein Lüftchen, und der Rauch stand reglos im Himmel. Ammoniakgeruch lag über der Stadt. Der Vollmond versilberte alles durch den dichten Nebel aus Rauch und Abgasen hindurch. Es fuhren fast keine Autos. Hier und da war mal eins auf dem Malecón zu sehen. Alles lag still da, scheinbar reglos. Nur die Trommeln waren gedämpft in der Ferne zu hören. Dieser Platz hier oben war schön. Man konnte sehen, wie sich das versilberte Meer bis zum Horizont erstreckte.
Als ich den Rauch und die Abgase nicht länger ertrug, ging ich zurück in mein Zimmer und schloss die Tür. Es war immer noch heiß. Irgendwann würde es schon abkühlen. Ich ließ nur das kleine Fensterchen nach Süden auf. Von dort sah man die ganze Stadt in silbrigem Dunst, die ganze dunkle, stille, scheintote Nacht. Sie wirkte zerbombt und ausgestorben. Zwar zerfällt sie Stück für Stück, diese verdammte Stadt, in der ich so sehr geliebt und gehasst habe, aber trotzdem ist sie herrlich. Allein und ruhig legte ich mich schlafen. Kein Sex. Ich hatte in den letzten Tagen etwas zuviel Sex gehabt, musste ein bisschen ausruhen. Ausruhen und Gott danken und um Kraft und Gesundheit bitten. Nur darum. Mehr brauchte ich nicht. Ich musste meine Dämonen besiegen und stark sein. So viel steht fest: Ohne Glaube wird jeder Ort zur Hölle.
Herren und Sklaven
Alles ging mir schief und zwar schon sehr lange, und das Tosen ließ nicht nach. Dabei toste es schon genug in meinem Innern. Ich war orientierungslos und trieb mit voller Kraft ins Nichts. Und so etwas ist schrecklich. Manchmal war ich ein paar Tage lang guter Laune und konnte meine Wut verbergen. Ich nutzte einen dieser Tage zu einem Freundschaftsgespräch mit Margarita, einer dünnen, drahtigen kleinen Schwarzen mit großen Brüsten. Sie wohnte unten im zweiten Stock. Sie gefiel mir gleich, als ich sie das erste Mal sah, aber man kann sich nicht in alle Frauen verlieben, die einem gefallen.
Ich lud sie zu einem Bier auf dem Malecón ein. Hinterher zu einem Schlückchen Rum zu mir auf dem Dach. Bis sie schließlich in meinem Zimmer aufs Bett fiel. Wir vögelten leidenschaftlich. Sie gefiel mir sehr, und wir trieben es die ganze Nacht. Doch hinterher war alles wie sonst. Nichts hatte sich geändert. Ich war noch genauso desillusioniert und wütend wie zuvor. Vor allem bei Vollmond. Ich weiß nicht, warum mich Vollmond so aufwühlt. Ich gerate aus dem Gleichgewicht und werde zum tollwütigen Hund. Ich versuche, diese Idee zu bekämpfen, aber ich mache immer wieder die Erfahrung, dass es stimmt. Es ist keine verrückte Idee. So bleibt mir nur übrig, sie zu akzeptieren und aufzuhören, vergeblich weiterzu-kämpfen.
Einen Gutteil meiner Wut bekam Margarita zu spüren. Der Sex mit ihr war außerordentlich gewesen, aber ich ertrug sie nicht. Ich besaß keinen Centavo, aß schlecht und dachte ernsthaft daran, mir eine Arbeit als Straßenkehrer zu suchen. Am schlimmsten wäre der erste Tag, dann würde ich mich eingewöhnen und zum Teufel mit allem. Immerhin würde ich dann regelmäßig monatlich ein wenig Geld verdienen.
Sie lobte mich ständig in vollen Tönen. Ich saß niederge-schmettert da, und sie
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