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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Sheriff zum Vorschein. Ich war kurz davor, sie zu ermorden, hielt mich aber zurück, wandte ihr den Rücken zu und ging. Immer dasselbe: Die Frauen bleiben, ich gehe.
    Ich will darüber noch nicht sprechen, weil ich noch nicht so weit bin, mit dem Skalpell in der Hand dem hochverehrten, anwesenden Publikum mitzuteilen:
    »Passen Sie gut auf und halten Sie sich die Nase zu. Ich werde jetzt ein paar Eingeweide aufschlitzen. Ich weise Sie darauf hin, dass viel Scheiße herauskommen wird. Es wird stinken. Für all diejenigen, die es noch nicht wissen: Scheiße stinkt.« Nein, noch bin ich nicht so weit. Ich halte das Skalpell in der Hand, wage aber noch nicht, tief hineinzuschneiden und auf den Grund der Scheiße vorzudringen.
    So ist dieses elende Leben halt. Wenn du einen starken Charakter hast, bist du unnachsichtig und verächtlich. Härte und Disziplin machen dich unerbittlich. Nur die Schwachen sind unterwürfige Parasiten. Und sie brauchen die Starken. Sie würden alles opfern für ein paar abfallende Krümel. Sie opfern ihren Stolz. Ich weiß, es klingt böse, wenn ich dies laut sage, aber es ist nun mal so, dass die einen befehlen, die anderen gehorchen. Ich kann niemandem gehorchen. Nicht einmal mir selbst. Und ich bezahle dafür den Preis - einen ziemlich hohen.
    Dann bist du fuchsteufelswild und musst Druck ablassen. Wir alle wissen, wie: Alkohol, Sex, Drogen. Na ja, einige stopfen sich mit Schokolade voll oder halten Fressorgien ab, was weiß ich. Hier im Viertel haben alle Sex und ein bisschen Alkohol und Marihuana. Und dann sind da noch ein paar Mystiker, und die leben am besten. Aber das ist eine andere Geschichte. Lassen wir die Mystiker und Esoteriker mal beiseite. Es sind wirklich nur sehr wenige. Sie zählen nicht.
    Margarita hielt meine Wutausbrüche lange aus. Sie lernte, sie zu ignorieren, sich mit wenig zufrieden zu geben. Sie sehnte sich danach, geliebt zu werden, und bat mich ständig darum. In meinem Viertel waren alle hinter ihr her. Es wurde zu einer Art Sport: Alle wollten sie ihrem Phallus unterwerfen. Mein Viertel ist voller Schwarzer und Mulatten und einiger Weißer, die kaum etwas zu tun und an nichts zu denken haben. Und es lief fast mechanisch ab: Wenn einer sie dazu bekam, ihren Phallus zu kosten, und er ihr gefiel, schnappte die Falle zu. Einfach und primitiv, aber es funktioniert. Nichts sonderlich Neues. Die Erbin von Vargas Vila hatte mir lächelnd mitgeteilt:
    »Verführ sie, korrumpier sie, mach sie süchtig. Sie sind schwach.« Ich wollte es nie glauben, aber sie sagte es mir immer wieder, bis sie mir eines Tages erzählte, dass Vargas Vila Frauen hasste.
    »Er war ein Frauenhasser«, erzählte sie mir. »Schwul?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung, auf jeden Fall ein Frauenhasser.« Na jedenfalls war da Margarita, und alle waren hinter ihr her. Und hier bin ich, außer mir vor Wut und mit Schaum vor dem Mund, aber wenigstens will ich sie nicht verführen oder korrumpieren oder sonst was. Sie soll mit ihrem Leben machen, was sie will, und mich in Ruhe lassen. Manchmal kaufte ich sogar Gladiolen und Jasmin und schenkte sie ihr am Abend. Und als einziges erwartete ich dafür, dass sie das still in Empfang nahm und den Mund hielt. Aber diese schwarze Schlampe roch immer wieder verträumt daran und schloss die Augen und dankte mir und erklärte mir, wie wunderbar ich sei und dass sie mich liebte. Und das brachte mich auf die Palme. Warum nahm sie ihre Blumen nicht einfach an und hielt ihren verdammten Mund, die alte Schlampe?
    Und warum flippe ich immer aus vor Anmaßung, lasse sie in mir anschwellen und mich dann beschämen? Nichts kommt an mich heran, wenn ich die Kontrolle über meine Anmaßung verliere. Sie zerstört mich.
    Da ging mir auf, dass ich in Rage gerate, wenn ein Sklave in meiner Nähe ist. Er macht mich zu einem arroganten, aufbrausenden Herrn, einem Herrn voller Zorn. Also muss ich mich von Sklaven fernhalten, muss sie in Ruhe lassen. Die verderbende Wirkung ist zu schrecklich.

 
     
Rette sich, wer kann
     
    In der vergangenen Nacht hatten wir bis zum Morgengrauen getrunken. Haydée hatte mir ihre spiritistischen Geschichten erzählt und dass sie Angst hatte und sich nie etwas traute. Jórge hörte zu. Er hört immer zu und sagt kein Wort. Halb betrunken legten wir uns gegen vier in der Früh schlafen. Sie wohnen in einem einzigen kleinen Zimmer mit Bad und Kerosinherd. Haydée breitete eine Decke auf dem Boden aus und ließ sich bleischwer darauf sinken. Schon fast

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