Pedro Juan Gutiérrez
eingeschlafen, meinte ich noch zu hören, wie sie vögelten und stöhnten. Diese Schwarzen kriegen wirklich nie genug.
Um neun stand ich auf, wusch mir das Gesicht, packte meine zwanzig gefrorenen Langusten zusammen und ging zum Bahnhof. Mittags um zwölf fuhr immer ein Zug nach Havanna. Er ist gerammelt voll, und das ist gut, denn dann gibt's keine Polizeikontrollen.
Eine der Hauptstraßen hinunter bewegte sich ein Begräbniszug. Alle gingen schweigend zu Fuß. Es waren viel zu viele Leute in übertriebenem Schweigen. Mit meiner Kiste voller Langusten wollte ich nicht auffallen, aber doch wissen, was geschehen war. Niemand wusste etwas. Die Leute waren schmutzig, schlecht gekleidet, hungrig, und niemand sagte ein Wort. Für jeden von ihnen stellte sich dieselbe Frage: Wo finde ich Geld und Nahrung, wie überlebe ich?
Dann rumpelte ich den ganzen Nachmittag über im Zug hin und her. Er war drei Stunden zu spät abgefahren und ließ sich alle Zeit der Welt, alle fünf Minuten hielt er. Gegen zehn Uhr abends kam ich schließlich in Havanna an. Ein ganzer Tag vergeudet in dem verdammten Zug. Und ich war glücklich, wieder in meinem elenden Zimmer zu sein. Es ist schön, wenn man glücklich ist. Wenn man sich entmutigen lässt, kann man gleich einpacken. Ich stellte die Langusten ins Gefrierfach, trank ein Glas Wasser mit Zucker und legte mich schlafen. Ich war groggy.
Im Nu war ich eingeschlafen, und um sieben in der Früh wurde an meine Tür geklopft. Es war Margarita, die mich wecken wollte. Sie hatte einen sechsten Sinn. Woher wusste sie, dass ich schon zurück war?
Sie machte mir einen Kaffee. Unter dem Vorwand, es sei wirklich heiß und sie wolle jetzt mein Zimmer aufwischen und saubermachen wie einen Palast, zog sie ihr Kleid aus und provozierte mich mit ihrer Nacktheit. Wir vögelten ein wenig. Drei Tage lang hatte ich sie nicht gesehen. Ich mochte sie gern. Besonders wenn sie mal ein Weilchen schwieg. Meistens plapperte sie dummes Zeug und war bis zum Umfallen bemüht, die Nette zu spielen, und das macht einen rasend. Es war sowie nur sexuelle Anziehung. Nur das. Aber das reichte mir. Mein Herz war inzwischen aus Stein, und ich war unfähig, für eine Frau mehr zu empfinden als eine Erektion.
Diese flüchtigen Affären sind köstlich, weil sie frei sind von allen Erwartungen. Sie haben weder Vergangenheit noch Zukunft. Erwartungen zerstören vieles. Aber zu lernen, nichts zu erwarten, ist eine Kunst.
Jedenfalls wollte Margarita unbedingt saubermachen und anschließend Essen kochen. Aber das ließ ich nicht zu. Ich wollte nie wieder trautes Heim spielen. Genug ist genug. Ich schickte Margarita zurück in ihr Zimmer, ciao, ciao, schnappte mir vier Langusten und zog los, sie zu verkaufen. Im gegenüberliegenden Gebäude wohnte ein Landei aus Guantánamo, der seinen Wagen vermietete und Kohle hatte. Es ist ein Plymouth Jahrgang 54, ein rotes Riesenteil mit kolossalen Kotflügeln, wahnsinnig breit, ein Monstrum mit viel rotem Metall und kleinen Fenstern. Ich finde es eher düster, aber die Touristen sagen, es sei ein »Klassiker«, und mieten es, um in Alt-Havanna spazieren zu fahren und Nutten aufzutun und mit ihnen an den Strand zu fahren. Ich bewunderte, wie gepflegt die alte Karre war, und er entgegnete mir:
»Mann, die Kiste ist eine Goldmine, ein wahres Porno-arsenal.«
»Pornoarsenal? Spinnst du?«
»Du hast ja keine Ahnung, Pisser. Viele der Touristen lieben es, sich davor, darin, auf dem Dach oder auf der Kühlerhaube mit Nutten ablichten zu lassen. Der helle Wahnsinn! Ich muss sie immer fotografieren oder auf Video filmen. Dafür kassier ich extra! Du glaubst nicht, wie viel Kohle mir das Wägelchen einbringt.«
Der Kerl aus Guantánamo kaufte mir zwei Langusten ab. Nicht schlecht. Er bezahlte jede in Dollar, ohne zu feilschen. Kein schlechtes Geschäft. Ich kaufe sie von den Fischern, drei zu einem Dollar. Scheiße ist, dass ich nicht zweihundert davon auf einen Schlag mitbringen kann. Ich setzte meinen Weg fort und ging zu Urbanos kleinem Restaurant. Tatsächlich wollte er zehn. Ha! Damit hatte ich mein Tagesgeschäft eingefahren! Ich brachte sie ihm, kassierte und machte mich auf die Suche nach etwas Rum. Man soll nicht zu viel arbeiten, denn das Leben ist ziemlich kurz.
Vor dem Rumausschank stand man Schlange, aber ich ging direkt nach vorn, sah dem Verkäufer in die Augen und gab ihm meine Flasche. Er füllte sie mir, und ich gab ihm seine mageren dreißig Pesos. Genau vor den Augen aller.
Weitere Kostenlose Bücher