Pedro Juan Gutiérrez
nichts da. Für mich war sie etwa so wie einer dieser Typen mit denen ich zusammenar-beitete, behaart wie ein Bär, immer verschwitzt und zum Himmel stinkend. Ich fragte mich, wie zum Henker ich hier wieder wegkam, ohne ausfallend zu werden. Ich bin nicht gerne ungehobelt zu einer Dame.
»Warum legst du keine Musik auf?«
»Ich habe kein Radio.«
»Dein Haus ist kaum möbliert.«
»Ja, die Sache ist die... na, ich werd's dir erzählen... Ich war lange Zeit aus Kuba fort und bin gerade erst zurückgekommen.«
»Ah, die Geheimnisvolle.«
»Alles darfst du nicht wissen. Na, vielleicht findest du's ja raus, nach und nach.«
»Du bist von der Staatssicherheit.«
Sie machte eine vage Geste, die wohl bedeuten sollte, vielleicht. Dann zeigte ich auf den Wandschrank, aus dem sie die Bilder geholt hatte, und sagte:
»Und da drinnen hast du eine Pistole, warst in der Amerika-Brigade und bist im Dschungel zwischen Affen und Schlangen umhergelaufen.«
»Hey! Was für'n Arsch bist denn du? Kennst du mich? Was weißt du von der Amerika-Brigade?«
Voller Panik stand sie auf. Ich erschrak etwas. Immerhin war sie Karatekämpferin, und ich konnte gerade mal ein bisschen boxen. Bis heute weiß ich nicht, warum zum Teufel ich das alles gerade gesagt hatte. Telepathie? Nie würde ich erfahren, ob Telepathie oder Zufall oder was sonst. Erst einmal musste ich sie beruhigen.
»Nein, Mädchen, hör gar nicht hin, ich hab dich ein bisschen hochgenommen. Reg dich nicht auf, entspann dich.«
»Mach solche Spielchen nie wieder, hörst du, nie wieder!« »Hör mal, es ist schon spät und morgen früh muss ich um fünf wieder raus. Ich gehe jetzt.«
»Es ist noch nicht spät, nicht einmal zehn Uhr. Willst du noch einen Rum?«
»Nein.«
»Wann sehen wir uns wieder? Kommst du morgen?«
»Vielleicht. Am Abend.«
»Komm in die Klinik und sag mir vorher Bescheid.«
»Kann ich nicht einfach vorbeikommen?«
»Nein. Sag mir erst Bescheid.«
»Gut ausgebildet, Genossin. Immer in Alarmbereitschaft.«
»Ich hab dir doch gesagt, keine solchen Spielchen. Sag mir endlich, woher du mich kennst.«
»Nein, nein, ich lasse dich raten. Bis morgen dann, Ciao.« Und es gelang mir, hinauszuschlüpfen, hinaus in die frische Nachtluft, die ich tief einsog. Da ging mir etwas Wichtiges auf: diese Frau hier roch nicht nach Frau. Darum hatten meine Eier auch nicht vibriert, darum hatte nichts vibriert. Ein Jahr lang arbeitete ich bei den Ölbohrungen, habe sie aber nie wiedergesehen. Ich konzentrierte mich ganz auf die Arbeit, wollte an nichts denken. Ich wurde ein bisschen gröber. Ich bekam Falten, wurde alt und gerbte mir die Haut mit Sonne, Salz und Schwefel.
Viel Lärm drum herum
Wir lernten uns im Bus kennen, saßen eineinhalb Stunden nebeneinander und atmeten Sex mit allen Poren, als würden wir uns wittern. Anisia war neunzehn, ich fünfundvierzig. Sie war eine schlanke, sehnige Mulattin, wohlproportioniert, hübsch, mit fröhlich sprühenden Augen. Etwas lag in der Luft. Zwischen uns bestand eine gute Strömung. Wir tauschten die Telefonnummern aus, und Ciao, hier muss ich raus. Fährst du weiter? Ja, ich fahre weiter. Gut, also dann bis bald. Ich melde mich.
Jetzt war sie hier, nach vielen Anrufen. Ich war nie zu Hause gewesen. Endlich sprachen wir miteinander, und sie kam in mein Zimmer auf dem Dach. Sie war verschwitzt und keuchte. Diese Treppe, neun Stockwerke hoch, ist eine Prüfung. Wieder ein Anruf für mich. Die Alte aus dem achten Stock. Für jeden Anruf kassiert sie einen Peso. Ich muss das herunterschrauben, denn wenn das in dem Tempo weitergeht, kann ich gleich die Telefongesellschaft kaufen. Ich ging hinunter. Es war Zulema. Sie war ganz aufgeregt. Ihr Neffe war gerade aus Schweden gekommen, und zwischenzeitlich hatte sie ihren Seemann in einem betrunkenen Anfall hinausgeworfen. Warum, zum Teufel, kommt jeder mit seinen Problemen zu mir? Vor acht Jahren war der Neffe zur Arbeit nach Varadero gefahren, um sich seinem kommunistischen Vater zu entziehen. Dann suchte er sich eine reiche Kanadierin, heiratete sie, zog mit der hässlichen Alten fort, fand Arbeit, lernte perfekt Englisch, wurde kanadischer Staatsbürger, kämpfte grimmig um die Scheidung, denn die Alte wollte ihn nicht gehen lassen, und heiratete ein junges Mädchen, das nicht so reich, dafür aber hübscher und jünger war. Jetzt, keine Ahnung, wie, lebte er in Schweden. Nach fünf Jahren kam er für eine Woche zu Besuch, sehr stolz auf sich, weil er
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