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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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ich nutzte diese Zeit zu einer kleinen Orgie mit ihr, und am Ende saßen wir alle nach zehn zusammen wie gute Freunde und schlürften gemeinsam Cocktails. Ich hatte den Verdacht, dass er etwas merkte, aber das ist eine andere Geschichte. Seitdem weckt die Abenddämmerung schreckliche Gefühle in mir. Jetzt wird nichts getrunken, Pedro Juan, sagte ich mir. Jetzt wird etwas zum Essen gesucht. Da wurde mir auf einmal klar, dass ich ein elender Bettler war. Ein widerwärtiger Almosenempfänger. Schmutzig, mit Zweitagebart. Ich besaß weder Schuhe noch Hemd, irrte immer noch halb besoffen, fast besinnungslos umher. Ich konnte betteln gehen und mir etwas zu essen kaufen. Anschließend konnte ich mir dann überlegen, wie ich zurück in mein Zimmer kam und Cusa am Hals packte und würgte. Wie konntest du mich bloß einfach liegen lassen, du Scheißschlampe, würde ich von ihr wissen wollen, unter Ohrfeigen, die sich gewaschen hatten. Ich gebe den Frauen gern ein paar hinter die Ohren, wenn sie es verdienen. Und ich würde Cusa vögeln, während ich sie ins Gesicht schlug. Die Ohrfeigen sollten ihr wehtun, höllisch brennen, während er mir stand und ich ihn ihr reinsteckte. Wahnsinn.
    Und die alte Schlampe würde zu mir sagen: »Schlag mich nicht mehr, steck ihn mir rein, ganz tief, Schätzchen. Verdammt, hör jetzt auf mich zu schlagen!« Und in dem Moment würde sie kommen und bei jeder Zuckung aufstöhnen und seufzen. Ich würde schon meinen Spaß haben mit dieser alten Schlampe.
    Ich streckte meine Hand aus und bettelte bei jedem Passanten um Geld, während ich irgendwas Unverständliches brabbelte. Wenn man um Almosen bettelt, darf man nicht klar und deutlich sprechen oder sinnvolle Dinge sagen oder so. Man ist ein elendes Viech, ein Ungeziefer, das um ein paar Münzen für Gotteslohn bettelt, stinkender Abschaum. So war es immer seit Bestehen der Welt. Betteln ist eine Kunst, und man muss verstehen, so zu tun, als sei man ein Idiot, ein Trottel, ein chronischer Säufer, ein Dummkopf. Nur ein Idiot kann betteln. Wenn du nur ein Fitzelchen schlauer bist, kannst du etwas anderes tun. Das ist so. Um überzeugend zu wirken, muss man den Gesichtsausdruck eines völlig Verblödeten aufsetzen. Aber nicht mal das klappte. Niemand gab mir auch nur einen Centavo! Ich ging die Carlos III. viele Häuserblocks weiter. Schritt für Schritt, ein totales Wrack. Ziellos. Mit dem Gesichtsausdruck eines Verblödeten oder Idioten hielt ich die offene Hand jedem unter die Nase und brabbelte dabei wirres Zeug. Niemand gab auch nur eine Münze! Entsetzlich! Nichts, gar nichts. An dem Abend hätte ich verhungern können. Ich ging die ganze Carlos III. hinunter zwei, drei Stunden lang, was weiß ich. Bat um etwas für Gotteslohn, und alle wandten das Gesicht ab, sahen woanders hin oder taten, als sei ich ein Gespenst. Nie zuvor hatte ich gebettelt. Betteln ist entsetzlich, wenn alle so arm sind. Alle sind am Arsch und hassen jeden, der ankommt und jammert.
    »Hör auf mich zu verarschen, Alter, ich könnte selbst ein Almosen gebrauchen.«
    Also nicht einen einzigen Centavo. Immerhin kam ich langsam wieder zur Besinnung. Ich musste nach Hause. Warum hatte ich es vermieden, zu mir nach Hause zurückzugehen? Abgerissen und heruntergekommen wie ich war, wollte ich keinem unter die Augen treten. Die Nachbarn tratschen viel. Jetzt kapierte ich, das war also der Grund. Etwas mehr bei Sinnen sagte ich mir:
    »Geh zurück in dein Zimmer, Pedro Juan, versuch es. Es ist schon dunkel, und niemand wird dich sehen.« Offenbar war der Autopilot abgestellt und ich hatte das Kommando wieder selbst übernommen. Da bemerkte ich, dass ich vor Zulemas Haus stand. Sie würde mir bestimmt helfen. Ich überquerte die Straße, ging die Treppen hinauf. Als ich das letzte Mal mit ihr gesprochen hatte, war sie sehr traurig gewesen, weil ihr Neffe nach Schweden zurückgekehrt war und sie ihren betrunkenen Seemann hinausgeworfen hatte. Sie ist eine ziemliche Schlampe, aber jetzt konnte sie mir immerhin was zu essen geben und vielleicht auch ein Hemd und ein Paar Schuhe. Zulema wohnte in einem Zimmer, das vier mal vier Meter groß war, ein Scheißloch genau wie meines, in dem wir nette nächtliche Stelldicheins gehabt hatten. Sie ist unersättlich. Doch bei mir war's netter, weil wir zwischen den einzelnen Runden das Meer vor uns hatten. Ihre Kammer hatte nur ein beschissenes Fenster, das auf den Korridor des Stockwerks ging, wo die anderen Nachbarn schrien und zankten und

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