Peehs Liebe
ihm erzählte.
Wir schlenderten von der Cafeteria über den Parkplatz, gingen an Evrosâ Gaststätte vorbei, am Optikerladen, wechselten auf die andere StraÃenseite, passierten das Reisebüro, die Bäckerei Kirschmeyer, das Rathaus und die Raiffeisenbank. Hinter der Eisdiele liefen wir über die Urft-Brücke. Wenn Kathy Geld hatte, kaufte sie mir ein Eis, an dem ich leckte, während ich die StraÃe zur Schule hinter ihr hertrottete. Auf dem FuÃballplatz trainierten einige Jungen. Am Ende der StraÃe war die Schule, in der Kathy putzte. Wir überquerten den Schulhof, wo Mädchen Seil sprangen, gingen durch die Glastür in die groÃe Aula, dann das Treppenhaus hinauf zu den Klassenzimmern. Eine Galerie führte um die Aula herum. An den Wänden hingen Wasserfarbenbilder und Gruppenfotos von Schulausflügen. Auf einem Foto war Peeh zu sehen. Sie trug das Kleid mit den weiÃen Punkten, das mir gehörte und an dem ich immer noch heimlich roch. Sie hatte blonde Zöpfe und lachte. Ich sah Peeh nur noch selten, weil sie mittlerweile das Gymnasium in der Stadt besuchte. Einmal übte sie in der Aula Klavier für ein Schulkonzert. Ich wagte nicht, zu ihr zu gehen, sondern versteckte mich oben auf dem Rundgang hinter der Balustrade. Siekonnte wunderschön spielen, und alle, die zuhörten, waren begeistert.
Während Kathy Klassenräume, Toiletten und die Aula putzte, saà ich meist allein in der Bibliothek. Ich nahm einen Stapel Bücher aus einem Regal und setzte mich an einen Tisch. Ich fing immer mit dem letzten Wort auf der letzten Seite an und blätterte dann schnell von hinten nach vorn. Ich glaubte, zu verstehen oder Wörter zu riechen, ein Kaleidoskop zusammengesetzter Striche, Pünktchen und Schnörkel, Fichten- und Tannennadeln, zermatschte rote Galläpfel, Bucheckern, Staub, der im Sonnenlicht schwebt, glitzernde Sterne im wirbelnden Fluss von Dingen und Geschichten. Ich blätterte fasziniert und merkte dabei nicht, wie die Zeit verging. Ich weià nicht mehr, wie ich die Bücher verstand, vielleicht war es das Vibrieren der Wörter, die sich in Töne, Farben und Gerüche verwandelten, die ich nicht las, sondern atmete und schnupperte, die mich berührten und nach denen ich tastete und griff, bestimmt anders, als man gemeinhin etwas begreift. Es kann auch sein, dass ich mir nur einbildete, irgendetwas verstanden zu haben, weil ich jetzt einige Wörter spreche, Wörter, die doch nur leere Hülsen sind, ohne was drin, die man nicht mal auslecken kann, die nach nichts schmecken, nach nichts riechen. Früher war das anders, da hatte alles Farben und Gerüche.
â¦
Als Annie durch den Flur lief, hörte sie Stimmen aus dem Zimmer von Rosarius. Dort traf sie auf Lambertz, der am Bett stand und in den Notizen von Rosarius las. Lambertz fragte Rosarius nach dem Perseusgerät und wollte etwas über den Schatz und die Beute des Lohngeldraubes erfahren, nach der Strohwang gesucht hatte. Annie nahm Lambertz die Hefte aus der Hand und schrie, was ihm einfalle, persönliche Aufzeichnungen anderer Leute zu lesen. Sie hingegen durfte das lesen, sie war ja Peeh, für sie hatte Rosarius das alles aufgeschrieben, bildete Annie sich ein, nur für sie erzählte er seine Geschichte.
Ich kann nur hie und da ein Wörtchen von Peeh sprechen. Ich muà vergessen, was sie für mich gewesen ist, wenn ich von ihr rede,
stammelte Rosarius gerade aufgeregt. Sie beruhigte ihn und schickte Lambertz aus dem Zimmer. Rosarius redete nun kaum vernehmbar von den Forschungsreisen seines Vaters durch die Libysche und Syrische Wüste, von antiken Wasserleitungen, Ãberresten römischer Siedlungen, einem an den Grenzen des Römischen Imperiums verschwundenen Kastell, dem Grab von Sergios, einem römischen Offizier, der in Resafa, einem Kastell in der Wüste, hingerichtet worden war. Von dort sollte ein Weg durch die Wüste direkt zum Euphrat geführt haben. Nach dieser unter dem Wüstensand verborgenen StraÃe hatte der Archäologe gesucht.
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Der Archäologe lebt seit Jahrzehnten in der Wüste, er ist ruhelos auf der Suche nach seinen antiken StraÃen. Mittlerweile hat er mehrere arabische Dialekte gelernt und ist kaum noch von einem Nomaden zu unterscheiden, er wandert einsam über ebene Sandflächen, dann über Geröll und Bergketten aus verkrusteten und daher scharfkantigen, brüchigen Steinen.
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