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Peehs Liebe

Peehs Liebe

Titel: Peehs Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Scheuer
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präsentierte Kathy das Wundergerät und behandelte mich damit. Ich ertrug die Prozedur, um Kathy einen Gefallen zu tun. Vincentini glaubte tatsächlich, er könne mich mit dem Perseus von meinem Stumpfsinn heilen, könne erreichen, dass ich endlich sprechen lernte. Ich musste mich zur Behandlung ausziehen und dann auf den Küchentisch legen, während Vincentini den Perseus bereitstellte. Er zelebrierte dies, wie ein Priester, der in der Messe Weinkelch und Hostien aus dem Tabernakel holt. In die Anschlussbuchsen des Perseus steckte Vincentini Kabel, eines davon zurrte er mit einer Manschette um meine linke Hand, an das andere Kabel kam ein Stift mit fünf Silberkontakten. Wie Vincentini gewichtig erklärte, ging esum das Fließen blockierter Energien, um die Aktivierung gehemmter Blutzirkulationen in den vielfältig verzweigten Meridianen. Sie seien Pfade, Wege und Straßen im Körper, über die Energie von Zelle zu Zelle transportiert werde. Vincentini behauptete, der Perseus würde bei jeder Krankheit helfen. Allerdings sei die Behandlung eine Kunst wie die chinesische Akupunktur, wobei es darauf ankomme, die richtigen Punkte zu finden, dann erst könnten Dauer und Intensität der Stromstärken bestimmt werden. Vincentini behandelte mich jeweils zehn Sekunden mit schwacher Stromkraft an der linken und rechten Brustseite, danach neben dem Adamsapfel, da dies die Stelle sei, an der man Sprachhemmungen beheben könne. Ich hatte dabei ein Gefühl, als würde mein Hals zugeschnürt. Alsdann setzte er die Elektrode auf den Sängerpunkt an der linken Brustseite, den Kreislauf-Sexus-Meridian, dessen Behandlung entspannend wirken und freies Durchatmen ermöglichen sollte. Aber ich konnte nicht durchatmen, denn Vincentini hatte mittlerweile die ganze Küche mit seinen Zigarren verqualmt. Ich lag nackt auf dem Tisch und hustete. Er regelte die Stromstärke langsam auf den Skalenwert vier hoch, führte die Sonde über die Stelle auf der Brust, bis ich ein Kribbeln spürte. Triumphierend behauptete er, die kranke Stelle gefunden zu haben, und behandelte mich nun mit Stiften, die wie Nadeln piksten, durch die Ströme tief unter die Haut drangen. Er drückte die Sonde fester, begann mit der gezielten Heilbehandlung, redete dabei unentwegt und pries denPerseus. Ströme flossen nun durch meinen ganzen Körper, durch Adern und feine Verästelungen, ich sah zur Decke, ertrug alles zitternd. Tausende Ameisen krabbelten auf meinem Rücken. Ich sah Farben, schwebende, schillernde, tönende Seifenblasen, die zuerst winzig waren, sich aber immer mehr aufblähten, bis sie riesengroß geworden waren und laut in meinem Kopf zerplatzten. Kathy hielt meine Hand und redete beruhigend auf mich ein, während Vincentini einen letzten Versuch an dem Punkt machte, den die Chinesen «die Sprudelnde Quelle» nennen. Aber auch diese Behandlung half mir nicht, obwohl Vincentini Jahre später behauptete, es habe am Perseus gelegen, dass ich doch noch sprechen gelernt habe.
    â€¦
    Manchmal konnte der alte Mann die ganze Nacht nicht schlafen, erzählte und erzählte, als bestünde die Welt nur aus ruhiger, fließender Erinnerung. Er hörte die Stimme einer Krankenschwester auf dem Flur und Klavierspiel im Aufenthaltsraum. Er glaubte, es sei Musik von seiner geliebten Peeh. In Gedanken lief er durch labyrinthische Flure zu ihr, berührte zärtlich ihren Nacken, während ihre Finger über die Tasten glitten, Töne anschlugen, an deren Melodie er sich zu erinnern glaubte. Rosarius fuhr wieder mit Vincentini, dem Perseusverkäufer, von Dorf zu Dorf, er flüsterte Straßennamen. Manderscheider, Bausendorfer Straße, über die Höhenrücken, ins Flusstal hinab, über Wiesen, flatternde Krähenschwärme,
ich muß mich täuschen, als hätte Peeh vor alten Zeiten schon gelebt, als wüßt ich durch Erzählung einiges von ihr, wenn ihr lebendig Bild mich nicht ergreifen soll.
Rosarius hauchte Wörter, Weidezäune, Krähen, Kalkgestein, Lavasand, Schneckengehäuse, Schöneckener Straße, weiße Elsterfedern, endlich bogen wir auf die Dodenburger Straße ab, wir fuhren nach Dreißdorf hinunter.
    Â 
    V incentini fuhr eine alte Mercedes-Limousine mit dunkelroten Ledersitzen und elfenbeinfarbenem Lenkrad, von dem er behauptete, es sei aus Walrosszähnen gefertigt. Auch Hitler habe diesen Mercedes gefahren, als er

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