Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Peehs Liebe

Peehs Liebe

Titel: Peehs Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Scheuer
Vom Netzwerk:
Notizen über eine Rast an einer Wasserstelle, dort ein entdeckter Meilenstein aus der Zeit Kaiser Konstantins, der nach der Übernahme der Alleinherrschaft überall in Nordafrika die Namen seiner Mitregenten ausradieren ließ. Gipsquader, Befestigungsmauern, kleine Bodenmosaike, die ein Sandsturm freigelegt hat. In der Wüste vermodert nichts, schreibt er, es wird nur, wenn es leicht genug ist, vom Wind weggeweht und irgendwann mit Sand zugedeckt. Abends in einem stickigen Hotelzimmer notiert er in sein Tagebuch: N’Djamena im Tschad, eine kleine Siedlung, zwei Hotels, ein Paradeplatz mit Tribünengestänge, Schlaglöcher und offene Müllgräben entlang der Straße, Ziegel- und Wellblechbaracken, eine Siedlung am Rande der Zivilisation. Er kartographiert Straßen des Römischen Imperiums, macht Listen mit Fundstücken, erwähnt die undichte Ölleitung an seinem Wagen, die er reparieren muss. Abends sitzt er an der Hotelbar, wo die Arbeiter an der Theke mit einem schwarzen Mädchen flirten, das zum Restaurant gehört. Die Arbeiter gehen mit ihr hinauf in ein Separee. Geräusche des Ventilators, der sich unablässig an der Zimmerdecke dreht. Heerscharen von winzigen Stechmücken. Er träumt von einem schnellfüßigen Volk, das sich nur von Schlangen, Eidechsen und ähnlichen Kriechtieren ernährt, mit einer Sprache, die wie Schwirren klingt. Er versorgt sich am nächsten Tag mit Proviant,füllt seine Wasservorräte auf und verlässt die Siedlung um die Mittagszeit. Er fährt über Sandpisten durch die monotone Weite des Tschadbeckens, ein ausgetrockneter See, der sich kilometerweit ausdehnt, bis zum Ennedi-Gebirge im Norden hoch, nur Gluthitze und feiner rötlicher Staub, unter dem irgendwo antike Straßen und Städte verborgen liegen.
----
    â€¦
    Annie nahm Rosarius den Füller aus der zitternden Hand, legte ihn auf die Kommode, wischte mit einem Tuch Tinte von seinen Lippen und gab ihm zu trinken. Sie holte einzelne Blätter unter dem Bett hervor. Hunderte bekritzelte Blätter hatte sie mittlerweile gesammelt. Die meisten konnte sie nicht entziffern. Jetzt murmelte Rosarius wieder Straßennamen, Straßen, auf denen er mit Vincentini durch die Eifel gefahren war. Broicher Straße, Frohnrather, Ingersberger, Sistiger, Gillenfelder, Wildenburger, Ramscheider, Dreiborner Straße, dann hauchte er,
mit seinem leisesten Zauber wehte der Himmel mich an,
Steckenborner, Nettersheimer, Frohngauer, Blankenheimer Straße,
mild, wie ein Blütenregen, flossen die heiteren Sonnenstrahlen herab.
Ahrdorferstraße, Nonnenbacher, Baasemer, Niederadenauer, Dorseler Straße,
es war ein großer, stiller, zärtlicher Geist in dieser Zeit und auf diesen Wegen.
Hünkhover, Radenbacher, Dahlfelder, Drehlinger Straße. Annie legte die Blätter mit Zeichnungen von seltsamen Geräten, von Orten in der Wüste in einen Schuhkarton, den sie vor Lambertz im Schrank versteckte, denn der stöberte im Zimmer herum, nahm heimlich Aufzeichnungen von Rosarius mit. «Peeh, Peeh», murmelte Rosarius. Sie beugte sich über ihn, versuchte ihn zu beruhigen, er griff nach ihrer Hand, hielt sie mit tattrigen Fingern fest und murmelte. Sie hörte ihm aufmerksam zu, als er wieder zu erzählen begann.
    Â 
    W ir wohnten bis zum Jahr 1956 über der Reinigung an der Sötenicher Straße, dann kündigten sie Kathy, weil Kunden sich beschwert hatten. Sie war in deren Kleidern in Kall herumgelaufen. Sie hatte tatsächlich geglaubt, es wären ihre. Kathy war oft verwirrt, erzählte kuriose Dinge. Aber es gab auch Tage, an denen sie fast normal schien, viel lachte und redete. Wir zogen zu Evros in die Bahnhofstraße. Evros hatte über seiner Gaststätte eine kleine Wohnung. Statt Miete zu zahlen, half Kathy Evros abends in der Gastwirtschaft. Evros war Grieche und als Gastarbeiter nach Kall gekommen, hatte im Industriegebiet gearbeitet und sich bei der Arbeit die Finger der rechten Hand in einer Stahlpresse abgetrennt. Von der Abfindung hatte er die Kneipe gekauft. Er schaffte es trotz seiner verkrüppelten Hand, ein Bierglas zwischen seine Fingerstummel zu klemmen und unter den Zapfhahn zu halten. Evros schwärmte an der Theke oft von seiner griechischen Heimat, sagte, wenn er genügend Geld gespart hätte, würde er zurückkehren, um eine schöne Griechin zu heiraten, mit der er eine kleine Pension am

Weitere Kostenlose Bücher