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Peehs Liebe

Peehs Liebe

Titel: Peehs Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Scheuer
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die Ordensburg und die Stauseen in der Eifel besuchte habe. Vincentini war als Junker in der Ordensburg stationiert gewesen, «ein Goldfasan», sagte er, «einer von denen, die man auswählte und zu Herrenmenschen erzog und ausbildete». Er hatte fliegen gelernt, zuerst ein Segelflugzeug, dann einen Jagdbomber, mit dem er ins Meer gestürzt war.
    Wenn Vincentini in seinem Mercedes auf Verkaufsfahrt mit dem Perseus unterwegs war, trug er einen Nadelstreifenanzug, ein weißes Seidenhemd, eine dunkelrote Krawatte und seine speckige, abgewetzte Lederkappe. Bevor er zu seinen Patientinnen ging, nahm er die Kappe ab und legte sie sorgsam auf den Fahrersitz. Sofern Kathy und ich ihn auf seinen Verkaufsfahrten begleiteten, mussten wir uns auch herausputzen. Kathy trug ein dunkelblaues ärmelloses Kleid mit einem breiten weißen Gürtel, ich einen Matrosenanzug mit einer Mütze, die meine Glatze bedeckte. Vincentini holte den «Hyperion» aus dem Handschuhfach, reichte ihn Kathy nach hinten und bat sie vorzulesen.
Und wenn ich oft dalag unter den Blumen und am zärtlichen Frühlingslichte mich sonnte und hinaufsah ins heitre Blau, das die warme Erde umfing.
Vincentini sprach die Sätze hinter dem Steuer sitzend mit. Kathy hörte auf zu lesen, und Vincentini fuhr auswendig fort,
wenn ich unter den Ulmenund Weiden, im Schoße des Berges saß, nach einem erquickenden Regen,
stundenlang zitierte er den «Hyperion», kratzte sich dabei unter seiner Kappe, paffte Zigarren und redete weiter,
wenn die Zweige noch bebten von den Berührungen des Himmels und über dem tröpfelnden Walde sich goldne Wolken bewegten.
Vincentini hatte sich während des Krieges eingebildet, das dünne Heftchen könne sein Leben retten, wenn eine Gewehrkugel zufällig genau die linke Brusttasche träfe. Während der Fahrt durch die Eifel, von Dorf zu Dorf, lag ich mit dem Kopf in Kathys Schoß und sah durch das Seitenfenster in den Himmel. Kathy streichelte über meine Glatze. Vincentini schimpfte, dass Delamot mir den Kopf rasiere, meinte jedoch, es sei auch gut, da man dann meine krausen, fuchsroten Haare nicht sehe. Vincentini behandelte mich regelmäßig mit dem Perseus, denn ich konnte immer noch nicht sprechen. Ich hatte durch Vincentini gelernt, den ganzen «Hyperion» zu summen, was natürlich keiner verstand, doch ich kannte die Melodie aller wunderbaren Worte. Kathy verteilte in Dörfern und größeren Orten Werbekarten, auf denen der Perseus angepriesen wurde. Ich stolperte meist hinter ihr her, sah zu, wie sie die Karten in Briefkästen steckte und unter Türen hindurchschob.
    Wir fuhren manchmal wochenlang kreuz und quer durch die Eifel, durchquerten verlassene Gegenden, in denen Vincentini nach dem Krieg Holz aufgekauft hatte und daher jeden Winkel und jeden Weiler kannte. Wenn wir zu den Maaren kamen, sagte er, wir würden übererkaltete Lava fahren, wenn man hier die Erde berührte, könne man, wenn man sensibel genug sei, tief im Erdinneren brodelndes Magma spüren. Vincentini parkte dann an Einbrüchen oder Kraterseen, die rund und spiegelnd wie riesengroße Augen immerzu den Himmel und die treibenden Wolken anstarrten. Vincentini redete von weißen Aalen, lang und dick wie Giraffenhälse, von versunkenen Dörfern, von Fischarten, die keiner je gesehen hatte, von warmen sprudelnden Quellen, von ausströmendem glühendem Magma auf dem Grunde des Maars. Während er das erzählte, zog er sich aus, legte zuletzt seine Kappe sorgsam auf den Fahrersitz und stakste dann nur mit einer Unterhose bekleidet den steilen Abhang zum Maar hinunter. Vincentini war dickbäuchig, hatte drei Brustwarzen, von denen eine verkümmert war, auf die er aber besonders stolz war und von der er behauptete, dass sie ein Atavismus und er damit der lebende Beweis für die Richtigkeit der Evolutionstheorie sei, die besage, dass eigentlich alles von allem abstamme. Seine Unterhose war dort, wo der Penis hing, ganz gelb. Die Frauen, mit denen er was hatte, und es waren viele, eigentlich alle seine Patientinnen, schien dies nicht weiter zu stören. Sein graues, welliges Haar war nach hinten gekämmt. Aus seiner dicken, bläulichen, grobporigen Nase wuchsen Haare, die Kathy ihm manchmal ausriss. Kathy sagte, Vincentini sei, was Frauen beträfe, ein Zauberer, eine Menge Abkömmlinge von ihm würden in der Eifel leben, überall dort, wo er

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