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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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weiter.«
    »Links.«
    Was jetzt?
Judiths und Carolines Finger wiesen eindeutig in zwei unterschiedliche
Richtungen.
    Endlich
keuchte auch die schwitzende Eva heran.
    »Achtung.
Dicke Luft«, flüsterte Kiki ihr zu.
    Judith und
Caroline standen sich mit ihren Büchern gegenüber wie Boxer in einem Ring, die
auf das Signal zum Start der ersten Runde warten. Wut stieg in Judith auf: Wie
kam Caroline dazu, sich auf diese Weise einzumischen?
    »Für mich
ist wichtig, denselben Weg einzuschlagen wie Arne!«
    »Trotzdem
ist es die falsche Richtung.«
    »Wenn du
auf den Wegen des Sankt Jacobus wanderst, kannst du nicht planen, schreibt
Arne. Du musst offen sein für die Dinge, die dir auf dem Weg begegnen.«
    Die Augen
der übrigen drei wanderten zwischen Judith und Caroline hin und her, als trügen
die beiden ein Tennismatch aus.
    »Ich bin
offen für alles. Solange wir in die richtige Richtung gehen.«
    »Es ist
mein Weg. Arne hat ihn mir aufgetragen.«
    »Das ist
ein jahrhundertealter, festgeschriebener Jakobsweg. Arne ist nicht der Erste,
der ihn gegangen ist.«
    »Du
begleitest mich! Nicht andersrum«, fuhr Judith Caroline mit einer Vehemenz an,
die man dieser zarten, dünnen Person kaum zutraute. Sie stapfte davon, ohne
weiter auf Caroline und ihre Einwände einzugehen. In die Richtung, die Arne in
seinem Tagebuch angab.
    »Wir sind
hierhergekommen, um Judith zu unterstützen.« Kiki schloss sich ihr mit einer
entschuldigenden Geste in Richtung Caroline an. Die anderen beiden taten es
ihr gleich.
    »Arne
kannte wahrscheinlich eine Abkürzung«, rechtfertigte sich Eva.
    Auch
Estelle setzte sich wieder in Bewegung: »Bewirtschaftete Klöster üben einen
unwiderstehlichen Reiz auf mich aus.«
    Die Rollen
ihres Koffers knatterten über die steinige Piste.
     
    Caroline
war in Köln extra ins Pilgerbüro gegangen. Sie hatte sich informiert und einen
Pilgerführer angeschafft. Der Einzige, den es für diese Strecke gab, war in
Französisch abgefasst. Schließlich handelte es sich um einen der weniger
begangenen Jakobswege. Sie wusste, dass Judith sich irrte. Caroline unternahm
einen letzten Versuch, die Gruppe zu überzeugen: »Wir müssen heute mindestens
achtundzwanzig Kilometer zurücklegen. Wenn wir bereits am Anfang in die falsche
Richtung gehen, schaffen wir es nie bis Lourdes.«
    Keine der
Frauen reagierte. Sie hatten Position für Judith bezogen.
    Caroline
blieb verärgert zurück. Fünf Minuten nach Beginn des Pilgerwegs standen die
Dienstagsfrauen vor ihrer ersten Zerreißprobe. Zu früh, alles aufs Spiel zu
setzen, befand Caroline.
    Mit
grimmiger Miene marschierte sie den vier Freundinnen hinterher. Vorbei an
einem Stein mit einer Jakobsmuschel, der vom Gras fast völlig überwuchert war.
Allein der Pfeil ragte aus dem Grün heraus. Er zeigte in die entgegengesetzte
Richtung.
     
    12
     
    »Wer hat
sich das mit dem Pilgern bloß ausgedacht?«, waberte es durch Evas Kopf Sie
hatte aufgegeben, ihre Schritte zu zählen. Auf dem schatten- und endlosen Weg
durch monotone Weinfelder, die die sanfte Hügellandschaft prägten, ging es für
sie darum, den aktuellen Schritt zu überleben und Kraft für den nächsten zu
sammeln. Schwer wog die Last ihrer Sünden. Kein Wunder, denn Eva beging sie vor
allem nachts am Kühlschrank. Bei den Mahlzeiten gelang es ihr gerade noch,
Verzicht zu üben. Wenn das Küchenschlachtfeld geräumt, die letzte
Waschmaschine aufgehängt, Lateinvokabeln abgefragt und vier Kinder in ihre
eigenen Zimmer verschwunden waren, hatte sie keine Kraft mehr, irgendeiner
Versuchung Widerstand zu leisten. Vielleicht sollte sie weniger kochen. Ohne
Reste keine Versuchung. Eva aber liebte die Idee, ein offenes Haus zu haben, wo
Überraschungsgäste immer einen Platz am reich gedeckten Tisch fanden.
    Vermutlich
eine Altlast ihrer eigenen Kindheit. Als Teenager wagte Eva nicht, jemanden zu
sich nach Hause einzuladen. Sie konnte nie sicher sein, ob ihre Mutter nicht
im gewagten Flower-Power-Outfit das Zimmer stürmte, sich auf das Bett fallen
ließ und potenzielle Freunde in die Flucht schlug mit Worten wie: »Ich bin
Regine, die Alte von der Eva.« Regine hielt sich nicht nur für die beste
Freundin ihrer Tochter, sondern auch für die Inkarnation ewiger Jugend. Sie bestand
darauf, von der Tochter und den Enkeln mit Vornamen angeredet zu werden. Das
hielt Anna nicht davon ab, Regine bei jedem ihrer gefürchteten Besuche mit
einem begeisterten »Oma« um den Hals zu fallen. Anna war in dieser

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