Peetz, Monika
empörte sich Kiki. »Connected sind die.«
Sie
verschwieg, dass sie durchaus die Verbrüderung mit den jungen Kollegen probiert
und sich bei Facebook angemeldet hatte. Bereits bei der öffentlichen Angabe
des Beziehungsstatus kamen ihr Zweifel. »It's complicated«, war die einzige
Option, die ihren Zustand einigermaßen beschrieb. Innerhalb einer Woche hatte
sie mehr Exfreunde auf ihrer Facebookseite versammelt als andere in einem
ganzen Leben. Aber es kam noch schlimmer. Als sie die Nachricht erreichte, dass
ein gewisser Matthieu aus Rouen Kontakt zu ihr suchte, reichte es ihr. Um
keinen Preis der Welt wollte sie ihr »It's complicated« mit Matthieu teilen und
als Gegenleistung an seinem glücklichen Eheleben mit seiner Exfreundin-jetzt-Ehefrau-und-Mutter-seiner-bezaubernden-Töchter
teilhaben. Noch weniger wollte sie sich dabei von ihren jungen
Arbeitskollegen, mit denen sie sich flugs vernetzt hatte, beobachten lassen.
»Du wirst
alt, Süße«, konstatierte Estelle uncharmant und traf damit den Kern von Kikis
Problemen. Im ewigen Schielen auf Morgen hatte Kiki ganz ungewollt eine Menge
Vergangenheit aufgehäuft. Und so wuchs bei Kiki langsam die Erkenntnis, dass
es möglicherweise nie mehr was wurde mit der großen Designerkarriere. Es sei
denn, sie lieferte einen spektakulären Entwurf. Sie zückte die Kamera, bereit,
alles aufzunehmen, was ihr als Inspiration für die Vasenkollektion dienen
konnte. Die eigentümlichen Farben Südfrankreichs, der Geruch des frühen
Morgens, die leisen Geräusche der Natur, das alles konnte Anstoß für eine
einzigartige Idee sein. Diesmal würde es klappen.
Eva stand
noch immer an der Bushaltestelle und fummelte an ihrem Handy rum.
»Komme
gleich«, rief sie ihren Freundinnen zu.
Sie
brauchte keine Zeugen für ihr Telefonat. Sie wusste, dass die Freundinnen sie
gern als Übermutter abstempelten. Aber bevor sie sich befreit und entspannt auf
den Weg machen konnte, musste sie wissen, ob zu Hause alles glattlief.
Eva
drückte angespannt auf den Tasten herum, schüttelte das Telefon. Sie kletterte
gar auf einen kleinen Felsbrocken und hielt es in die Luft. Der Versuch,
Kontakt mit dem Basislager zu Hause zu bekommen, scheiterte. Null Empfang.
Die
Freundinnen drehten sich nach ihr um. Eva winkte. »Bin schon unterwegs.« Eilig
griff sie den Rucksack, wuchtete ihn auf den Rücken und kippte postwendend
nach hinten. Vielleicht hatte sie ein bisschen viel eingepackt? Ihre Weggefährtinnen
verschwanden bereits hinter der Biegung, als Eva sich ächzend in Bewegung
setzte. Eins, zwei, drei, vier. Die Hitze drückte, der Rucksack drückte, die
Schuhe nicht. Kein Wunder. Schließlich hatte sie gerade mal fünf Schritte
zurückgelegt. Wenn ein Schritt siebzig Zentimeter hatte, wie viele waren es
dann bis Lourdes? Als die Zahl auf dem Display ihres Telefons (mit
Rechenfunktion) aufleuchtete, wünschte sie sich, sie hätte nie mit dem Rechnen
angefangen. Vierhunderttausend Schritte bis Lourdes! Da hatte sie die
Strecken, die sie mit Bus und Taxi zurücklegen würden, schon abgezogen. Das
würde sie nie schaffen.
Eva ahnte
nicht, dass hinter der nächsten Biegung bereits eine Pause eingelegt wurde.
Unfreiwillig. Denn mit der ersten Weggabelung kam die Uneinigkeit.
»Wir
müssen links. Dann kommt man von selbst zu dem Kloster«, verkündete Judith.
Estelle probierte, über Judiths Schulter die Wegbeschreibung in Arnes Tagebuch
mitzulesen. Judith wendete sich brüsk ab.
»Was steht
denn so Geheimes in dem Buch?«, empörte sich Estelle.
Judith
ging nicht darauf ein. Anders als Arne befürchtet hatte, behandelte sie das
Tagebuch wie ihre ganz private Reliquie. Dabei war es nicht einmal spektakulär,
was Arne über das Kloster schrieb. Er berichtete in allen Einzelheiten, wie
herzlich die Benediktinermönche ihn empfingen und mit Brot, Ziegenkäse und
selbst angebautem Wein bewirteten. In den Messestunden erfüllten gregorianische
Gesänge die Luft. Judith konnte kaum erwarten, dieselbe Abtei zu betreten, in
der Arne Zuflucht gefunden hatte. Wer weiß, vielleicht erinnerten die Mönche
sich sogar an einen Pilger, der aussah, als wäre er ein Cowboy aus dem Wilden
Westen.
»Lassen
Sie den Weg links liegen und folgen Sie dem wenig benutzten Pfad Richtung
Osten«, zerstörte Caroline ihre Gedanken. Sie las aus ihrem Buch, einem
Pilgerführer, vor. Typisch Caroline. Sie wollte sich nie darauf verlassen, dass
jemand anderes wusste, was zu tun war. »Rechts geht's
Weitere Kostenlose Bücher