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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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das Schauspiel aus Licht,
Farbe, Schatten und Gerüchen verantwortlich zeichnete, war Kiki herzlich egal.
Darüber sollten andere sich den Kopfzerbrechen. Sie war glücklich, weg von
Köln zu sein, wo nicht nur das Wetter eher wolkig als heiter war.
    Kiki hatte
den Dienstagsfrauen nichts erzählt. Die Freundinnen hatten keine Ahnung. Weder
von ihren Problemen im Studio noch von den schlechten Nachrichten, die ihr
jeden Montag in Form von Kontoauszügen ins Haus flatterten. Kiki arbeitete
sechzig Stunden die Woche, um arm wie eine Kirchenmaus zu sein. Thalberg ging
davon aus, dass die Erwähnung seiner renommierten Firma im Lebenslauf Entlohnung
genug war für seine Mitarbeiter. Hätte Estelle ihr nicht heimlich Geld
vorgestreckt, wäre der jährliche Ausflug für Kiki ins Wasser gefallen.
    »Warum
lässt du dich von Thalberg ausbeuten?«, fragte Estelle kritisch, als Kiki
selbst auf dem Pilgerweg nicht von ihrem Skizzenblock lassen konnte.
    »Eine
Arbeitsstelle bei Thalberg ist wie die Erhebung in den Designerhimmel«,
schwärmte Kiki.
    Sie war so
stolz gewesen, als sie ihm bei ihrem Vorstellungsgespräch vor sechs Jahren
ihre Mappe präsentierte und Thalberg ihr Talent bescheinigte. Thalberg, der Designer,
der Artdirector und gerissene Geschäftsmann. Thalberg, der mehrmals von
Zeitschriften zum »Designer of the Year« ausgerufen wurde. Thalberg, dessen
Entwürfe in den führenden Design-Museen der Welt ausgestellt wurden. Dieser
Thalberg glaubte also an ihr Talent. Frisch fand er ihre Entwürfe, innovativ,
witzig und sinnlich. Als sie das Wort Festanstellung vernahm, rauschte das Lob
so laut in ihrem Kopf, dass sie die Höhe des monatlichen Fixums überhörte.
Viele Designer würden ihr letztes Hemd geben, um für Thalberg arbeiten zu
können. Kiki war einen Schritt weiter. Sie hatte ihr letztes Hemd gegeben und
versuchte nun, mit dem, was Thalberg ihr dafür bezahlte, über die Runden zu
kommen.
    »Thalberg
ist ein Phänomen«, verteidigte Kiki ihre Entscheidung. »Man kann so viel
lernen. Du müsstest sehen, wie er mit ein paar Handgriffen eine mittelmäßige
Idee in einen brillanten Entwurf umformt.«
    Sie
verschwieg wohlweislich, dass der letzte mittelmäßige Entwurf, den er auf diese
Weise in seine erfahrenen Hände genommen hatte, ihr eigener war. Dieses
verdammte Plastikbesteck für die Airline! Schon in der Entwicklungsphase war
sie dicht davor gewesen, sich mit einem ihrer Messerprototypen zu entleiben.
Leider waren sie zu stumpf, zu zerbrechlich, zu porös und vor allem hässlich.
»Offenbar haben Sie keine Ahnung, was heute Standard in der Business Class
ist«, hatte Thalberg sie vor versammelter Mannschaft abgekanzelt.
    »Wie
auch«, meckerte Kiki. »Mit dem, was Sie mir bezahlen, kann ich mir höchstens
eine Billigairline leisten. Und da servieren sie trockene Brötchen.« Das sagte
sie natürlich nicht. Denn Thalberg war längst zum nächsten Arbeitstisch
gewandert, wo es ihrem Kollegen, der die dazugehörigen Teller entworfen hatte,
nicht viel besser erging.
    »Design
ist wie Zehnkampf. Man muss lernen, die schnellen Wechsel zwischen Höhen und
Tiefen auszuhalten«, hatte sie im Studium gelernt. Kiki wollte keine
Niederlagen mehr akzeptieren. Sie wollte endlich Erfolg haben. Sie wollte etwas
schaffen, das sie aus dem Heer der Designer, die Thalberg zuarbeiteten,
herausstechen ließ.
    Alles
konnte zur Basis ihrer Vasenkollektion werden. Auf jedem Meter Pilgerweg
entdeckte Kiki neue Motive für ihre Kamera. Eine knorrige Weinrebe, die von
vergangenen Ernten erzählte, eine besondere Steinformation, auf der eine
Eidechse in der Sonne badete, wilde Orchideen am Wegrand, der Raubvogel, der
majestätisch aus den Kalkklippen des Massif de la Clape aufstieg.
    »Das ist
ein Aasgeier, der auf liegen gebliebene Pilger wartet«, befürchtete Estelle mit
mitleidigem Blick auf die ächzende Eva. Estelle hatte keinen Sinn für die
Schönheiten der Natur.
    »Was
fotografierst du jetzt schon wieder?«, erkundigte sie sich ratlos, als Kiki
sich hingebungsvoll über einen ausgeblichenen Fetzen Papier beugte, der zu
lange in der Sonne gelegen hatte.
    »Schau
diese vagen Farben an. Als wären sie hingehaucht«, pries Kiki ihr Fundstück,
wohl wissend, dass zerlaufene Muster bei Estelle nur ankamen, wenn sie aus der
Kollektion von Emilio Pucci oder Missoni kamen.
    Kiki
fotografierte alles: das Stück alte Zeitung, die Libelle, deren Flügel die Farbpalette
widerspiegelten. »Naturmotive gefallen

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