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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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ansah, auch auf diese SMS zu antworten. Kiki war genauso weit wie
zuvor. Schlimmer noch. Sie war einen Schritt näher am Abgrund.
     
    49
     
    Eva
begriff die Freundin nicht mehr. Seit Stunden korrespondierte Kiki unter
falschem Namen mit ihrem nichts ahnenden Chef.
    »Max wird
schon aufgeben, wenn er merkt, dass aus uns nichts wird«, rechtfertigte sie
sich. »Er geht zurück zum Studium und ich an meinen Arbeitsplatz. Als wäre
nichts passiert. Bis es so weit ist, halte ich Thalberg bei Laune.«
    Eva
seufzte. Sie hatte sich vorgenommen, ein gutes Wort für Max einzulegen. »Willst
du so enden wie ich? Mein Leben ist eine einzige Ansammlung von Hättichnurs.«
    Kiki
tippte ununterbrochen auf den Tasten des Telefons herum: »Die habe ich auch.
Hätte ich mich nur nicht mit Max eingelassen.«
    So meinte
Eva das nicht: »Meine Hättichnurs handeln nur von Dingen, die ich NICHT getan
habe. Trotz Frido nach Paris gehen, als Ärztin arbeiten, Frido am Haushalt
beteiligen, ein eigenes Zimmer einfordern, den Kühlschrank in Ruhe lassen.«
    »Warum
probierst du es nicht mit Max?«, schaltete sich nun auch Caroline ein. Merkte
Kiki wirklich nicht, dass Max etwas Besonderes war? Er war unterhaltsam, nett
und sexy. Es war nicht mehr mitanzusehen, wie Kiki sich selbst verleugnete.
Was wollte sie mehr?
    »Caroline
hat recht«, bestätigte Eva.
    »Es mag
sich jetzt gut und richtig anfühlen. Aber was ist, wenn ich sechzig bin?«,
verteidigte Kiki ihre Position.
    Von hinten
mischte sich Estelle in die Unterhaltung. »Ein junger Ehemann erspart im
Krankheitsfall Pflegestufe eins.«
    Von allen
Seiten redeten die Dienstagsfrauen auf Kiki ein:
    »Stell dir
vor, du wüsstest schon heute, wer zu deinem Sechzigsten kommt. Weil dein Leben
vorhersehbar ist«, warnte Eva. »So wie meins«, verkniff sie sich. Kiki begriff
auch so.
    »Vielleicht
brauchst du einen Liebhaber, Eva«, schlug Kiki vor.
    Eva wehrte
ab: »Ich liebe Frido. Er ist die beste Entscheidung, die ich je gefällt habe.
Es geht um das, was ich daraus gemacht habe. Ich brauche keinen Liebhaber. Aber
vielleicht könnte ich anfangen, wieder Französisch zu lernen. Oder etwas
anderes. Nur für mich.«
    Wie lange
hatten die Freundinnen so etwas nicht mehr von Eva gehört: ein Ich. Noch war
das Ich klein, verletzlich und schüchtern, aber es hatte sich zu Wort gemeldet.
Es hatte mit dem Laufen zu tun, das Eva von Kilometer zu Kilometer leichter
fiel. Mit jedem Schritt schüttelte sie ein Stück Schuldgefühl ab. Anna hatte
wilde Haare? Na und. Lene vergaß, Mathe zu lernen, David konnte im letzten
Moment die Tennissocken nicht finden? Waren die Kinder nicht alt genug, sich
selbst zu organisieren? Frido jr. konnte auch mal zum Ministrantendienst, ohne
dass er ihre Chauffeursdienste in Anspruch nahm. Schließlich hatte er ein
Fahrrad. Und Frido? Konnte dazulernen. Genau wie sie. Nur für Regine hatte sie
keine Lösung. Der Gedanke an ihre Mutter bildete einen unverdaulichen Kloß im
Magen.
    »Gut, dass
ich noch ein paar Kilometer vor mir habe«, schoss es ihr durch den Kopf Sie
hatte gerade erst angefangen, in ihrem Leben Inventur zu machen.
    »Man hat viel
Zeit zum Nachdenken, wenn man läuft«, erklärte Eva verlegen.
    »Wem sagst
du das«, kommentierte Caroline.
    Sie hatten
ihr Tagesziel erreicht. Das zerbeulte Schild am Ortseingang zeigte deutlich, wo
sie waren: Angles.
     
    50
     
    Caroline
schluckte schwer. Die Leichtigkeit, die sie am Flussufer verspürt hatte, war
mit einem Schlag weggefegt. Passend zu den düsteren Vorahnungen begrüßte das
Dorf sie mit abweisender Stille. Ein scharfer Wind zog auf. Er knallte in
unregelmäßigem Rhythmus einen einsamen Fensterladen gegen das Mauerwerk,
verfing sich in einem Perlenvorhang, der mit seinem sachten Geraschel Fliegen
vertrieb, bewegte Wäscheleinen, an denen Socken in Reih und Glied schaukelten.
Daneben trockneten Chilischoten. Eine Plastikvase mit frischen Blumen wehte um.
Überall Zeichen von Leben. Aber keine Menschenseele auf der Straße, kein
einziges Fenster beleuchtet. Die munteren Gespräche, die ihren Weg begleiteten,
verstummten. In den engen Gassen klangen ihre Schritte hohl.
     
    Das
einzige Licht kam von den eingeschalteten Scheinwerfern eines weißen Autos: An.
Aus. An. Aus. Die Warnblinkanlage lieferte eine matte Entschuldigung, warum der
Wagen mitten auf dem Weg geparkt war. Als sie sich an dem Auto vorbeidrängte,
bemerkte Caroline, dass auf der Seite des Autos ein blauer Stern prangte.
Darunter vier

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