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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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Schleier. Das flatternde Gewand war in
der Taille mit einem Gürtel festgezurrt.
    »Ich
bin's«, flüsterte die Mariengestalt. Das klang eher nach Judith als nach der
unbefleckten Empfängnis. Sie war in ein weißes Bettlaken gehüllt. Trotz der
Decke, die sie um sich geschlagen hatte, zitterte sie wie Espenlaub.
    »Ich
dachte, ich hätte eine Erscheinung«, empörte sich Eva. »Tu das nie wieder.«
    »Ich will
wissen, wo Arne wirklich war«, sagte Judith mit überraschend fester Stimme.
»Begleitest du mich? Zu Dominique?«
    »Jetzt?
Mitten in der Nacht?«, wunderte sich Eva.
    »Es sind
vier Kilometer. Wenn wir jetzt aufbrechen, sind wir zum Frühstück dort. Ich
kann nicht mehr warten.«
    Etwas
gefiel Eva nicht an dem munteren Ton, den Judith anschlug. Erst das merkwürdige
Lachen, als Caroline ihr eröffnet hatte, dass etwas mit dem Tagebuch nicht
stimmte, jetzt die seltsame Entschlossenheit.
    »Du bist
die Einzige, die immer zu mir gehalten hat. Alleine traue ich mich nicht«,
versuchte Judith die zweifelnde Eva zu überzeugen. Eva schälte sich aus dem
Bett. Es war naiv zu glauben, dass der Sturm, der die Dienstagsfrauen ergriffen
hatte, sich von selbst legte. Schlafen konnte sie sowieso nicht. Es war an der
Zeit, die Dinge zu klären.
     
    61
     
    »Da ist jemand.«
    Ein paar
Klosterzellen weiter erhob Kiki sich aus den Kissen und lauschte in die
Dunkelheit hinein. Vom Klostergang hörte man das Knarzen einer Tür,
unterdrückte Stimmen, dann Schritte. Kiki fürchtete sich.
    »Hier
spukt es. Ehrlich.«
    »Schlaf
weiter.«
    Max zog
Kiki wieder auf die schmale Pritsche. Doppelbett war deutlich übertrieben für
seine Schlafstatt.
    »Warum bin
ich nicht wie du?«, fragte sich Kiki. »Du hast nie Angst.«
    Max
grummelte im Halbschlaf. »Und ob ich Angst habe. Vor Hunden, vor den Prüfungen
in London, vor den Leuten in der Firma, die erwarten, dass ich alles weiß, vor
Haarausfall, ich bin voller Ängste.«
    Kiki
kuschelte sich in seine Armbeuge. »Vielleicht hilft es, wenn wir zusammen Angst
haben.«
    Max war
mit einem Schlag wach. Er verstand nur zu gut, was Kiki wirklich hatte sagen
wollen. »Du willst mit mir zusammen sein?«
    »Du wirst
es bereuen«, drohte Kiki. »Ich schnarche, wenn ich Rotwein getrunken habe, ich
finde nie zwei gleiche Socken, ich arbeite fünfzehn Stunden am Tag, um so arm
zu sein, ich bin ...«
    Max küsste
ihren nervösen Redeschwall weg.
    »Ein
schlichtes Ja hätte es auch getan.«
    »Du bist
unmöglich«, wehrte sich Kiki. Max strahlte sie an. Kiki ahnte es mehr, als dass
sie es sah.
    »Deswegen
hast du dich in mich verliebt.«
    »Nein.
Wegen dem schwedischen Jazz. Als du im Studio die CD aufgelegt hast. Die
Melodie hat mich berührt.«
    »Wusstest
du, dass der Komponist auch die Musik für die Pippi-Langstrumpf-Filme
geschrieben hat? Derselbe Mann.«
    Merkwürdig.
Das passte nicht zusammen. Vielleicht hatte sie sich deshalb in Max verliebt.
Weil auch Widersprüche ein Ganzes formen können. Sie hatte sich verliebt, weil
Max anders war. Weil er etwas Mitreißendes hatte. Weil er dieselbe Musik mochte
wie sie, weil er für sie da war, weil sie für ihn da sein wollte. Kiki ließ die
Finger über seinen Köper gleiten. Er fühlte sich an wie eine Katze. Muskulös.
Seine Haut war ganz warm. Ganz sacht. Max umarmte sie stürmisch. Er wollte sie
nicht ein bisschen. Er wollte sie ganz.
     
    »Ihr wart so laut«, würde Estelle beim Frühstück im Refektorium
behaupten, »dass selbst die Mönche nebenan eine Zigarette brauchten.«
    Und Kiki
würde in helles Gelächter ausbrechen. Ihre fröhliche Stimme hallte im Gewölbe:
»Was schert mich, was andere über uns denken.«
     
    62
     

»Wir
treffen uns an der Brücke«, hatte Eva auf den Zettel geschrieben, den sie
unter Carolines Zimmertür geschoben hatte. Der Zeiger der Turmuhr sprang auf
5.23 Uhr, als die schwere Holztür hinter den beiden ins Schloss fiel. Eva und
Judith marschierten in flottem Tempo.
    Verworren
die Gedanken, gespenstisch die Landschaft. Nebelschwaden waberten über einem
Fischteich, Felder und Bäume leuchteten in unwirklichem Blaugrün. Der neue Tag
dämmerte herauf. Ein Traktor pflügte sich durchs Morgengrauen, dahinter ein
paar frühe Vögel, die auf Würmer hofften. Als die ersten Sonnenstrahlen die
Baumwipfel der Zypressen erreichten, lag das Kloster bereits hinter ihnen.
    Eva hatte
den Zustand erreicht, von dem so viele Pilger schwärmten. Die Füße liefen von
selbst und passten sich automatisch den Gegebenheiten

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