Peetz, Monika
gesprächig«, hatte Estelle gewarnt, als die beiden an der
imposanten Steinbrücke, die in hohem Bogen den Fluss überspannte, wieder zur
Gruppe stießen.
»Im
Gegensatz zu euch beiden«, schickte sie ironisch hinterher, als sie die
grimmigen Mienen von Judith und Eva sah.
»Frag
nichts. Du wirst es früh genug erfahren«, erklärte Eva.
Judith
ließ Caroline auf dem Pilgerweg nicht aus dem Auge. Sie zermarterte sich den
Kopf über die passende Formulierung.
»Caroline,
mir ist da was Dummes passiert. Ein kleines Versehen.«
Wäre es
nicht Philipps Aufgabe, Caroline die Wahrheit zu sagen? Er war mit Caroline
verheiratet. Nicht sie. Warum hatte er sich so viel Zeit für sie genommen? Man
weiß doch, dass Frauen in schwierigen Lebenssituationen empfänglich sind für
jede kleine Aufmerksamkeit. Alle Frauen verlieben sich in ihren Arzt,
Psychiater oder Friseur. Das muss man nicht ausnutzen. Genauso war es. Philipp
hatte ihre schwache Position ausgenutzt. Er hatte sie mit Telefonanrufen
bombardiert.
»Wie geht
es dir?«
»Kann ich
etwas für dich tun?«
»Brauchst
du was?«
Wollte ihr
jemand übel nehmen, dass sie mit Arnes Krankheit überfordert war? Ein Blick
zur Seite zeigte, dass es jemanden gab, der ihr das mehr als übel nahm.
»Ich meine
es ernst, Judith«, erinnerte Eva sie unnötigerweise. Das Blitzen in ihren
Augen allein bewies, dass Eva keinen Zentimeter von ihrer Forderung abweichen
würde.
Wieso
musste sie das hier alleine durchstehen? Das war typisch: Wenn es ernst wurde,
verdrückten sich die Männer. Judiths Herz schlug bis zum Hals. Sie schaffte das
nicht. Sie war nicht so stark wie Caroline.
Hilfe
suchend sah sie sich um. Sie brauchte Beistand. Sie brauchte jemanden, mit dem
sie reden konnte. Jemand, der sie begriff. Estelle? Schied aus. Judith
fürchtete ihre spitze Zunge. Aber was war mit Kiki? Die hatte am meisten Erfahrung
mit Liebeskatastrophen. Wie war das ausgegangen mit der Frau, die die
mexikanischen Gläser zerdeppert hatte? Kiki musste wissen, wie man mit solchen
Situationen umging.
Schüchtern
näherte sie sich der Freundin, druckste ein bisschen herum, bevor sie sich an
das Thema heranwagte: »Kiki, wie war das noch bei dir, die Geschichte mit dem
verheirateten Mann? Nachdem die Frau dahinterkam.«
Kiki kam
nicht dazu, auf Judiths merkwürdige Frage zu reagieren. Das Geräusch einer
eingehenden SMS lenkte sie ab.
»Einen
Moment«, entschuldigte Kiki sich und schon tippte sie wieder auf dem Handy von
Max herum.
»Schreibst
du immer noch mit Thalberg?«, wunderte sich Judith.
»Kiki ist
großartig in Firmendingen«, mischte Max sich ein.
Kiki
kicherte: »Auf die Weise habe ich neuerdings Mitspracherecht in der Firma.«
»Selbst
meine Mutter heult sich bei Kiki aus«, ergänzte Max.
Judith sah
Kiki mitleidig an. »Lügen ist nie gut«, warnte sie mit leiser Stimme. »Früher
oder später kommt alles raus. Und dann weißt du nicht, wie du aus dem
Schlamassel rauskommst.«
Kiki war
endlich fertig mit ihren Textnachrichten. »Was wolltest du über Mexiko
wissen?«, erkundigte sie sich. Max hatte seinen Arm um Kiki gelegt und war
ebenfalls neugierig -
»Vergiss
es«, winkte Judith ab. Vor ihr war Caroline stehen geblieben. Ein Stein hatte
sich in die dicke Sohle ihres Wanderschuhs eingetreten. Das war er. Der Moment
für Geständnisse.
Angst war
hilfreich, weil sie einen davon abhielt, auf einem Brückengeländer zu balancieren,
den Kampfhund in der Eckkneipe zu kraulen oder die ganze Palette bewusstseinserweiternder
Drogen auszuprobieren. Aber jetzt fühlte sie sich schwarz und klebrig an, ein
ungutes Gefühl in der Magengegend. Sie war in die Affäre mit Philipp hineingeschlittert.
Wie erklärte man so etwas? Dass sie Caroline nie wehtun wollte. Judith fühlte
die Übelkeit aufsteigen. Vielleicht wurde sie ja krank. Wenn sie krank wäre,
könnte Eva nicht von ihr verlangen, Caroline reinen Wein einzuschenken.
Caroline
knallte ihren Schuh wütend gegen ein Betonfundament, in dem ein Kreuz
verankert war. Lehm spritzte in alle Richtungen. Der Stein saß fest.
»Caroline
hat rausgefunden, dass Philipp eine Affäre mit einer anderen Frau hat«,
flüsterte Estelle, die unbemerkt herangeschlichen war, Judith zu. »Lass sie
lieber in Ruhe.«
»Nein«,
schrie Judith auf. Estelle nickte. Sie wusste sogar noch mehr zu berichten.
»Sie hat alle Termine von Philipp überprüft. Er hat sich regelmäßig mit einer
anderen getroffen.«
Eine
andere? Ob sie wusste, wer die
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