Peinlich peinlich Prinzessin
Dad.
»Weil es stimmt«, sagte ich. »Und in Amelies Erlass steht nirgends, dass sich nicht auch die Mitglieder der Fürstenfamilie zur Wahl stellen können, wenn sie das wollen. Ich bin auf jeden Fall dafür, dass du kandidierst. Und durch meine Wahl zur Schulsprecherin hab ich Erfahrungen mit Wahlkämpfen - auch wenn das eigentlich nicht vergleichbar ist, ich weiß schon. Aber wenn du Tipps brauchst, kannst du dich jederzeit an mich wenden.«
»Wie bitte?«, fauchte Grandmère. »Seid ihr jetzt beide komplett verrückt geworden? Premierminister? Keiner meiner Söhne wird Premierminister! Muss ich dich daran erinnern, Amelia, dass dein Vater bereits Fürst ist?«
»Natürlich, Grandmère.« Ich weiß, dass es älteren Menschen oft schwerfällt, sich an Neues zu gewöhnen - wie zum Beispiel an das Internet -, aber ich war mir sicher, dass selbst Grandmère es begreifen würde. Mit der Maus kann sie inzwischen ja auch richtig gut umgehen. »Klar ist Dad Fürst. Und das bleibt er ja auch. So wie du Fürstinmutter bleibst und ich Prinzessin. Es geht nur darum, wer die Regierungsgewalt hat. Und in Amelies Erlass steht nun mal, dass Genovia
in Zukunft nicht mehr von einem Fürst regiert wird, sondern von einem vom Volk gewählten Parlament und einem gewählten Premierminister …«
»Das ist absurd!«, rief Grandmère. »Du willst mir doch nicht sagen, dass ich mein Herzblut in deine Erziehung zur Prinzessin gesteckt habe - und auf einmal bist du gar keine mehr!«
»Grandmère.« Hatte sie denn keine Ahnung von den verschiedenen politischen Systemen? »Ich bleibe Prinzessin. Aber ich werde nur noch repräsentieren. So wie Prinzessin Aiko in Japan oder Prinzessin Beatrice in England. Weil England und Japan nämlich konstitutionelle Monarchien sind… Monaco übrigens auch.«
»Monaco!« Grandmère wurde kreidebleich. »Phillipe!«, wimmerte sie. »Wir dürfen keinesfalls wie Monaco enden. Was redet das Kind da?«
»Reg dich nicht auf, Maman «, sagte Dad. Erst jetzt fiel mir auf, dass er seine Kiefer ganz fest zusammenpresste. Das ist bei ihm - wie die schmalen Lippen bei Mom - immer ein Zeichen dafür, dass es nicht so laufen wird, wie ich es mir vorstelle. »Du musst dir keine Sorgen machen.«
»Na ja«, mischte ich mich ein. »Ein bisschen schon. Natürlich ist das eine einschneidende Veränderung. Aber eine, die nur Gutes bringt, glaube ich. Als absolutistische Monarchie hatten wir doch immer einen schweren Stand in der EU, oder? Ich meine, denk an die Sache mit den Schnecken damals… Aber wenn wir dann eine Demokratie sind, wird alles …«
»Schon wieder dieses grauenhafte Wort!«, heulte Grandmère auf. »Phillipe, was hat das alles zu bedeuten? Wovon redet sie? Bist du nun der Fürst von Genovia oder bist du es nicht?«
»Natürlich bin und bleibe ich Fürst, Maman «, beruhigte Dad sie. »Beruhige dich. NICHTS wird sich verändern. Ich lasse dir sofort einen Sidecar kommen …«
Natürlich verstand ich, dass Dad Grandmère beruhigen
wollte, aber ich fand es etwas hart, dass er sie so kaltschnäuzig anlog.
»Na ja«, sagte ich deshalb. »Es wird sich natürlich schon etwas verändern. Viel sogar …«
»Nein«, unterbrach Dad mich resolut. »Nein, Mia, es wird sich nichts verändern. Ich bin dir dankbar, dass du mich auf dieses Dokument aufmerksam gemacht hast, aber es hat nicht die Bedeutung, die du ihm offensichtlich beimisst. Es ist nicht rechtsgültig.«
Mir klappte die Kinnlade runter. »WIE BITTE? Natürlich ist es rechtsgültig. Amelie hat sich genau an die Vorschriften gehalten, die in der genovesischen Charta niedergelegt sind: Sie hat es besiegelt und von zwei unbeteiligten Zeugen beglaubigen lassen! Wenn ich im Prinzessunterricht etwas gelernt habe, dann das. Es ist rechtsgültig.«
»Aber ihr fehlte die Zustimmung des Parlaments«, sagte Dad.
»WEIL ALLE MITGLIEDER DES PARLAMENTS TOT WAREN!« Ich konnte es nicht fassen. »Oder zu Hause ihre sterbenden Verwandten pflegten! Außerdem weißt du genauso gut wie ich, dass der genovesische Regent ein Herrscher von ›Gottes Gnaden‹ ist. Deshalb hat er in Zeiten einer nationalen Krise - zum Beispiel wenn die Pest wütet und die Regentin weiß, dass sie sterben und der Thron an einen Despoten übergeben wird - das Recht, auch ohne Zustimmung des Parlaments ein Gesetz zu verabschieden.«
Also echt. Mein Vater denkt anscheinend, ich hätte in den drei Jahren Prinzessunterricht nichts gelernt, außer wie man mit Fischbesteck isst!
»Das stimmt
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