Peinlich peinlich Prinzessin
Rei eine Rede halten.
Gut, dann komm ich eben dahin.
Das geht nicht. Das ist eine reine Frauenveranstaltung.
Und das soll ich glauben?
Wirklich. Glaub mir, ich wünschte, es wäre nicht so.
Okay, dann eben Samstag.
Geht auch nicht. Ich muss was für die Schule machen. Du hast keine Ahnung, wie schlecht ich zurzeit stehe.
Okay. Aber früher oder später machen wir was zusammen. Und dann wirst du Michael vergessen. Das verspreche ich dir.
JP, du hast keine Ahnung, wie sehr ich mir wünsche, dass du recht hast.
Donnerstag, 23. September, 20 Uhr, in der Limousine auf dem Weg zum „Four Seasons“
Puh. Ich hab echt Schwierigkeiten zu schreiben, weil meine Hände so zittern.
Aber ich muss schreiben. Weil ich nämlich gerade was entdeckt hab.
Den totalen Hammer.
Das ist ein größerer Hammer als das mit der Nitrostärke-Explosion. Oder dass Lilly mich hasst und möglicherweise hinter ichhassemiathermopolis.com steckt. Oder dass sich herausgestellt hat, dass JP mich liebt. Oder dass Michael mich nicht (mehr) liebt. Oder dass ich eine Therapie machen muss. Oder dass meine Mutter meinen Mathelehrer geheiratet und ein Kind von ihm bekommen hat. Oder dass ich völlig unvorbereitet war, als ich erfahren hab, dass ich eine Prinzessin bin. Oder dass Michael in mich verliebt ist (war). Es ist ein größerer Hammer als alles, was mir bis jetzt in meinem ganzen Leben passiert ist.
Am besten erzähle ich alles ganz von vorne.
Also: Der Abend hat ganz normal angefangen. Ich hab mit Mr G Schulstoff nachgeholt (wenn ich nicht täglich Nachhilfe bekomme, schaffe ich Mathe oder Chemie dieses Jahr niemals - so viel ist klar) und hab zu Abend gegessen. Dann bin ich nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen, dass … na ja, dass Lana recht hat. Ich muss einen Neustart machen und mein Leben generalüberholen. Es ist Zeit, mich von alten Dingen zu verabschieden - meinem alten Freund,
meiner alten besten Freundin, alten Klamotten, die mir nicht mehr passen - und neuen Wind in mein Leben zu lassen.
Also hab ich mein Zimmer umgeräumt. (Ich war mit den Hausaufgaben fertig und besitze keinen Fernseher mehr, was hätte ich denn SONST tun sollen? Mir widerliche Hassseiten über mich im Internet anschauen? Es gibt dort jetzt übrigens die Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen. Eine Leserin aus South Dacota hat geschrieben: »Ich hasse Mia Thermopolis auch! Sie ist total oberflächlich und arrogant! Ich hab mal eine Mail an den Palast in Genovia geschickt und sie hat nie geantwortet!«) Irgendwann hab ich dabei aus Versehen das Porträt von Fürstin Amelie, das an der Wand lehnte, umgestoßen.
Und dabei ist die Rückseite abgefallen. Also das Brett, das hinten auf den Rahmen genagelt war.
Ich bekam die volle Panik, weil das Gemälde womöglich (wie so viele Sachen aus dem Palast) unbezahlbar ist, und hab es sofort aufgehoben, um mir den Schaden anzuschauen. Und da ist ein Zettel rausgefallen
Eigentlich war es kein Zettel, sondern eher ein Pergament. Eben so was, worauf die Leute im 17. Jahrhundert geschrieben haben.
Es war über und über mit französischen Sätzen in ameisenwinziger, kaum leserlicher, altmodischer Schrift bedeckt. Ich hab Ewigkeiten gebraucht, um alles zu entziffern. Aber ich hab sofort erkannt, dass das Dokument von Fürstin Amelie unterzeichnet war - von meiner Fürstin Amelie. Neben ihrer Unterschrift klebte das fürstliche Siegel. Und daneben standen die Unterschriften von zwei Leuten, deren Namen ich nicht kannte.
Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass das bestimmt die Unterschriften von den zwei Zeugen waren, die Amelie gefunden hatte, um ihren Erlass zu beglaubigen. Erst in diesem Moment wurde mir klar, was ich da in der Hand hielt.
Natürlich! Es war der Erlass, den Amelie geschrieben und der ihren Onkel so wütend gemacht hatte, dass er ihn verbrannte …
Tja, er hatte nur nicht damit gerechnet, dass sie eine Abschrift angefertigt und »in der Nähe ihres Herzens« versteckt hatte.
Als ich damals ihren Hinweis im Tagebuch gelesen hab, dachte ich noch, sie hätte das WÖRTLICH gemeint und der Erlass wäre nach ihrem Tod zusammen mit ihrer Leiche auf dem Scheiterhaufen zu Asche verbrannt.
Aber jetzt ist klar, dass es nicht wörtlich gemeint war. Sie meinte, dass sie das Pergament im Herzen ihres Porträts versteckt, an der Stelle, an der es vorhin rausgefallen ist - zwischen Leinwand und Rückseite. Dort hat sie es verborgen, damit ihr Onkel es nicht finden
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