Pelagia und der rote Hahn
der reinste Zauberkünstler. Davon hatten sie nicht nur ein großes Stück Land kaufen können, sondern auch noch die notwendigen Ackergeräte, einige Vorräte, zwei Fuhrwerke, vier Pferde, zwei Kühe und eine zerlegbare mechanische Mühle.
Laut Charta waren alle Güter Gemeineigentum. Alle Kommunarden waren gleich, alles gehörte ihnen zu gleichen Teilen. Gleich auf der ersten Versammlung hatten sie auch beschlossen: Keine Flirts und keine Liebeleien. Nicht aus moralischen Gründen, sondern einfach, weil es nur zwei Mädchen auf fünfundzwanzig Burschen gab; rührselige Romanzen und Eifersüchteleien konnte man da wirklich nicht brauchen. Und für Kinder war es in der künftigen Stadt des Glücks sowieso noch zu früh. Also verschob man die Liebe auf später, bis sie sich eingelebt hatten und aus Russland noch mehr Frauen gekommen waren.
Für Malke und Rahel wurde ein kleiner Winkel mit einem Vorhang abgetrennt – das war auch schon die ganze Geschlechtertrennung. Ihre Kleidung war die gleiche wie die der Männer, Vergünstigungen verlangten sie nicht, und sie bekamen auch keine.
Schwieriger war die Realisierung eines anderen Beschlusses: ausschließlich Hebräisch miteinander zu reden. Nur einer der Kommunarden, nämlich der Jeschiwa-Schüler Isja, beherrschte das Althebräische. Jeden Abend gab er den anderen Unterricht, und alle bemühten sich redlich, aber tagsüber sprachen sie doch fürs Erste Russisch. Wie sagt man auf Hebräisch »Streichhölzer«, oder »Flinte«? Isja erfand irgendwelche neuen Worte, wie »Feuerspan« oder »Donnerstock«, aber das war kein Althebräisch mehr, sondern weiß der Teufel was.
Was gab es noch für Beschlüsse?
Keine Hilfe von Baron Rothschild annehmen, nicht so wie die anderen Siedler. Erstens war Rothschild ein Kapitalist und Ausbeuter, und zweitens wollten sie lernen, sich in allen Dingen auf sich selbst und ihre eigenen Fähigkeiten zu verlassen.
Keine Tagelöhner – den Boden nur mit den eigenen Händen bestellen. Sie hatten doch diese Kommune nicht gegründet, um Schmarotzer der einheimischen Proletarier zu sein! (Damit verdarben sie es sich allerdings sofort mit ihren Nachbarn im nächstgelegenen arabischen Dorf; die Fellachen hatten gehofft, dass die Juden ihnen Arbeit geben würden.)
Am fatalsten erwies sich aber ihr Beschluss, auf »Wachen« zu verzichten, denn die hier ansässigen Tscherkessen, Beduinen und Araber hatten sich schon seit langem an diese Einkommensquelle gewöhnt und stritten sogar untereinander um das Recht, die jüdischen Siedlungen zu schützen.
In der Kommune »Neu-Megiddo« erschienen Sendboten aus dem Beduinenlager, aus dem tscherkessischen Aul und vom arabischen Scheich, aber Magellan ließ sie alle abblitzen und sagte: Wir haben Waffen und können uns selbst verteidigen. Die Folge davon war, dass sie leben mussten wie in einer belagerten Festung.
Die Araber waren am erträglichsten, sie stibitzten einfach nur, was sie kriegen konnten; aber die Beduinen und die Tschekessen waren waschechte Räuber.
Einmal nachts veranstalteten sie draußen vor dem Han ein Riesengeschrei und feuerten aus dem Dunkel in die Wände. Die Kugeln schlugen ekelhaft schmatzend in den Lehm, es war schrecklich. Aber Magellan blieb eiskalt, er verteilte Gewehre und ließ eine Salve abfeuern. Das half – die Schreie verstummten.
Am anderen Morgen stellten sie fest, dass drei ihrer Zugpferde, die draußen auf der Weide gestanden hatten, verschwunden waren. Auch das Beduinenlager war verschwunden. Die Nomaden hatten ihre Zelte abgebaut und waren in unbekannte Richtung weitergezogen. Magellan wollte ihnen sofort auf dem einzigen verbliebenen Pferd hinterherjagen, er war kaum davon abzubringen.
Die Beduinen waren also weg. Aber die Araber und Tscherkessen waren noch da und warteten nur auf ihre Stunde.
Doktor Scherman, der in der Rothschild’schen Siedlung Sichron Jakov wohnte, sagte zu Magellan: »Tun Sie es nicht dem biblischen König Josia gleich, junger Mann. Er wollte sich dem Pharao nicht unterwerfen und ist zu Grunde gegangen, und mit ihm das ganze Königreich Juda. Übrigens, die verhängnisvolle Schlacht fand genau in diesem Tal von Megiddo statt, wo wir uns jetzt befinden.«
Darauf entgegnete Magellan: »Hier wurde unser Königreich vernichtet, hier wird es wieder auferstehen.« Das war eine gute Antwort, eine wunderschöne Antwort.
Aber heute, als sie Rahel in der sumpfigen Erde begruben, fing der Doktor wieder an, Magellan zuzureden; und diesmal
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