Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
entlangfahren, so lange, bis er irgendjemandem begegnete, und den würde er fragen, ob nicht ein Weib in einem Hantur vorbeigekommen wäre. Und wenn er damit kein Glück hätte, würde er eben umdrehen und es auf dem anderen Weg versuchen. Und wenn das wieder nichts würde, dann könnte er ja immer noch den zugewachsenen Pfad nehmen.
    Das war natürlich ein lausiger Plan, das wusste er selbst. Es konnten Stunden vergehen, bis er jemandem begegnete. Und selbst wenn, wie sollte er sich mit ihm verständigen? Und was war, wenn unterwegs wieder eine Abzweigung kam?
    Die Säcke mit dem Korn versenkte er im Fluss, die Egge und die Eisenkiste auch. Was die Letztere betraf, war er sich zuerst ein wenig unschlüssig. Verflixt, jetzt bräuchte er ein paar hübsche kleine Dynamitstängchen, dann könnte er wohl mal einen Blick hineinwerfen. Andererseits, woher sollten diese Habenichtse schon nennenswerte Gelder haben? Und überflüssiges Gepäck konnte er nun wirklich nicht gebrauchen.
    Den Kühen gab er einfach eins mit der Peitsche auf den Hintern.
    Gerade wollte er sich setzen und losfahren, um sein Glück zu versuchen, da entdeckte er ein zusammengefaltetes Blatt Papier auf dem Boden des Wagens. Er faltete es auseinander – es war eine Karte von Palästina, so ein kleines Ding, wie man es in Reiseführern findet. Der Rotfuchs hatte so ein Büchlein gehabt, das hatte er gesehen. Ob sie den Plan verloren hatte?
    Auf der Karte war eine Route mit rotem Farbstift nachgezeichnet.
    »Bet-Kebir«, las Jakow Michailowitsch den Namen des Ortes, an dem die rote Linie endete.
    Er schloss die Augen und bekreuzigte sich mit inbrünstiger Geste.
    Gott existiert, wahrlich und wahrhaftig.

XII
    Schloss Schwarzeneck
    Version Nummer drei
    »Eine kleine Katja«, flüsterte der hübsche junge Mann und schaute sich vorsichtig um.
    »Hundert Rubel?«, rief Matwej Benzionowitsch entrüstet, aber eigentlich mehr der guten Ordnung halber, denn er war inzwischen schon bereit, jeden Preis zu zahlen. Obwohl, das sagt sich so leicht – hundert Rubel, immerhin ein Viertel seines Monatssalärs. Freilich, das Leben in Sawolshsk ist billiger als andernorts, von der Hauptstadt ganz zu schweigen, aber wenn du eine fünfzehnköpfige Familie zu versorgen hast, dann übst du dich – notabene – in Sparsamkeit. Und vor allem: Man bekommt ja keine Quittung, dachte Berditschewski leidvoll. Also kann ich’s auch nicht auf die Spesenrechnung setzen.
    »Na los, geben Sie schon her«, drängte Kescha und streckte ihm seine schlanke, gepflegte Hand entgegen. »Wenn Ihnen mein Rat nicht gefällt, kriegen Sie das Geld zurück.«
    Nun ja, das war eigentlich ganz in Ordnung. Der Staatsanwalt holte das kostbare Papierchen mit dem Konterfei Katharina der Großen hervor und überreichte es dem Blonden. Der hatte es nicht eilig, sein Honorar wegzustecken, er hielt den Schein lässig zwischen zwei Fingern, als wollte er seine Bereitschaft demonstrieren, ihn tatsächlich jederzeit zurückzugeben, wenn es verlangt wurde.
    »Also, wer hat Razewitsch freigekauft?«, fragte Matwej Benzionowitsch heiser.
    »Ich denke, jemand, der ihn sehr geliebt hat.«
    Nanu, eine Romanze? Der Staatsanwalt horchte auf. Das war ja eine ganz neue Wendung, wer weiß, wo das jetzt hinführte.
    »Sie meinen, eine . . . Dame?«
    »Nein, das meine ich nicht«, sagte Kescha lächelnd.
    Matwej Benzionowitsch griff sich an die Nase.
    »Ich verstehe nicht ganz . . .«
    »Sie glauben, Razewitsch sei wegen seiner Schulden aus der Gendarmerie entlassen worden? Weit gefehlt! Wenn man jeden wegen solcher Bagatellen gleich aus dem Korps entfernen wollte, könnte man die Gendarmerie auflösen. Und Razewitsch war ein sehr verdienstvoller Offizier. Nein, nein, das war nur ein Vorwand.«
    »Und was ist der wahre Grund?«
    Der junge Mann lächelte noch geheimnisvoller.
    »Das weiß niemand – außer dem Kommandeur der Gendarmerie und den Unseren.«
    »Den Unseren?«
    Noch einmal nahm der Kontorist Berditschewskis linke Hand und wiederholte die seltsame Geste – mit der Fingerspitze kitzelte er ganz leicht seinen Handteller. Als er das verdatterte Gesicht seines Gegenübers sah, kicherte Kescha los.
    »Was denn, glauben Sie mir nicht? Tja, stellen Sie sich vor, auch unter den Gendarmen gibt es welche, die was für Männer übrig haben.«
    Matwej Benzionowitsch fiel die Kinnlade herunter.
    »Ich sehe, die hundert Rubel habe ich mir verdient«, konstatierte der Blonde zufrieden und ließ den Schein in seiner

Weitere Kostenlose Bücher