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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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eintrat oder nicht.
    Er trat ein.
    Also war er es!
    In dieser Sekunde befreite sich auch der Mond aus seiner kurzen Gefangenschaft, und Pelagia sah die zerzausten, bis auf die Schultern fallenden Haare, das weiße Hemd und den dunklen Gürtel.
    »Er ist es!«, rief sie laut und wollte gerade losstürzen, um ihm in den Garten zu folgen, aber da geschah etwas Unvorhergesehenes.
    Jemand ergriff ihren Arm und drehte ihn mit einem Ruck auf den Rücken.
    Pelagia und Salach hatten sich so sehr auf den Mann mit dem Stab konzentriert, dass sie nicht gemerkt hatten, wie sich noch eine weitere Gestalt heranschlich.
    Es war ein Mann von Furcht erregendem Aussehen: breite Schultern, ein flaches, grobes Gesicht und ein mächtiger Bart. Der Kolben eines Karabiners ragte hinter seinem Rücken hervor, um den Kopf hatte er ein arabisches Tuch gebunden.
    Mit einer Hand hielt der Unbekannte Salach am Kragen, mit der anderen umklammerte er Pelagias Ellenbogen.
    »Was seid ihr für welche?«, zischte er auf Russisch. »Warum versteckt ihr euch? Habt ihr was gegen ihn im Sinn?«
    Anscheinend bemerkte er erst jetzt, dass er eine Frau vor sich hatte, und ließ Pelagias Ellenbogen los, aber dafür packte er den Palästinenser jetzt mit beiden Händen und hob ihn fast vom Boden hoch.
    »Wir sind Russen, Russen«, stammelte Salach erschrocken.
    »Na und?«, knurrte der schreckliche Mensch. »Alle wollen ihm Böses, auch die Russen! Was macht ihr hier? Habt ihr ihm aufgelauert? Sagt die Wahrheit, sonst. . .«
    Und er schwenkte eine so gewaltige Faust, dass der arme Palästinenser erschrocken die Augen zukniff.
    Pelagia, die sich von ihrem ersten Schreck erholt hatte, sagte schnell:
    »Ja, wir haben auf Immanuel gewartet. Ich muss mit ihm reden, ich habe eine wichtige Nachricht für ihn. Und Sie . . . Wer sind Sie? Sie sind ein ›Findelkind‹, stimmt’s?«
    »Die ›Findelkinder‹, die retten ihre Seele«, sagte der Bärtige mit unverhohlener Geringschätzung. »Aber ich muss ihn retten. Meine Seele, da kann ich drauf pfeifen . . . Aber er muss leben. Und du, wer bist du?«
    »Ich heiße Schwester Pelagia, ich bin eine Nonne.«
    Die Reaktion, die auf diese harmlose Bemerkung folgte, war vollkommen überraschend. Der Unbekannte schleuderte Salach zu Boden und packte die Nonne am Hals.
    »Eine Nonne! Eine schwarze Krähe! Hat er dich geschickt, das Klappergerüst? Er war’s, wer denn sonst! Los, rede, sonst schneid ich dir den Hals durch!«
    Vor Pelagias schreckensbleichem Gesicht blitzte ein Messer auf.
    »Wer ist ›er‹?«, keuchte die Schwester. Sie verstand überhaupt nichts mehr.
    »Lüge nicht, du Schlange! Der Oberste von eurer ganzen Kirchenbrut! Alle spionieren sie für ihn rum, schleichen ihm überallhin nach!«
    Der Oberste der ganzen Kirchenbrut, also ein geistlicher Würdenträger?
    »Sie meinen den Oberprokuror Pobedin?«
    »Aha!«, rief der Bärtige triumphierend. »Du gibst es zu! Bleib liegen!« Er trat nach Salach, der versuchte, sich aufzusetzen. »Ich habe Manuila schon einmal vor diesem alten Blutsauger gerettet, und ich rette ihn immer wieder!« Er fletschte die Zähne zu einem schiefen Grinsen. »Na, sag schon, bestimmt hat er den guten alten Trofim Dubenko in guter Erinnerung behalten, der Konschtintin Petrowitsch, he?«
    »Wen?«, krächzte Pelagia.
    »Hat er dir nich erzählt, wie er ihn, den heiligen Mann, ins Loch gesteckt hat, wegen Klauen? Wo er doch unschuldig war? Und mich hat er als Wache aufgestellt. Wie viel Jahre hab ich dem Konschtintin Petrowitsch als Kettenhund gedient! Und der hätt mich auch verrecken lassen wie so’n Hund, da wär ich nie ein richtiger Mensch geworden! ›Trofimuschka, sagt er zu mir, pass mal gut auf diesen Dieb und Störenfried auf, der is gefährlich. Den Polizeiwachen, den vertrau ich nich. Lass kein an ihn ran und dass keiner mit ihm redet, und morgen früh kommt er dann gleich weg in die Festung Schlisselburg.‹«
    Von dieser Geschichte hatte ihr Dolinin erzählt, erinnerte sich Pelagia. Angeblich hatte Manuila dem Oberprokuror eine goldene Uhr gestohlen, und Konstantin Petrowitsch hatte ihm großmütig vergeben und ihm die Freiheit geschenkt. Dabei war es in Wirklichkeit also gerade umgekehrt gewesen! Der weise Oberprokuror hatte den herumvagabundierenden Propheten offenbar für eine ernsthafte Gefahr gehalten, hatte ihn auf dem nächsten Polizeirevier einsperren lassen und zur Sicherheit einen seiner persönlichen Handlanger vor der Zelle postiert. Später hätte er dann

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