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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Teppichs umgeschlagen? Sind Sie sicher? Wie weit war das Fenster geöffnet? Sicher? Die Tagesdecke lag auf dem Fußboden?«
    Die Bestimmtheit, mit der ihre Antworten kamen, stellte den Untersuchungsführer sehr zufrieden. Er sprach ihr sogar ein Lob aus:
    »Eine Zeugin wie Sie findet man selten. Sie haben ein ausgezeichnetes visuelles Gedächtnis.«
    Pelagia sah sich die Zeichnung des Untersuchungsführers an, die recht ungewöhnlich aussah, und fragte jetzt ihrerseits:
    »Was ist das?«
    »Das nennt man ›Kroki‹«, antwortete Dolinin, dessen Bleistift immer noch flink über das Papier huschte. »Das ist eine Skizze des Tatortes. Hier ist der Maßstab in Metern. Die Buchstaben geben die Himmelsrichtungen an, das ist unbedingt erforderlich. Da wir uns hier auf einem Schiff befinden, tritt an die Stelle des Nordens der Bug (»B«), und statt Osten setzen wir Steuerbord (»S«).«
    »Wissen Sie«, sagte da Pelagia, »der Stuhl stand anders. Als ich in die Kabine hineinschaute, war er da drüben.« Sie zeigte Dolinin, wie der Stuhl gestanden hatte. »Und die Papiere auf dem Tisch lagen in einem ordentlichen Stoß, aber jetzt sind sie ganz durcheinander.«
    Sergej Sergejewitschs Kopf ging ein paar Mal hin und her, dann wies er mit dem Zeigefinger auf den Kapitän:
    »Haben Sie hier eigenmächtig irgendwas verändert, Verehrtester?«
    Der schluckte und hob schuldbewusst die Hände.
    Der Untersuchungsführer sah die auf dem Tisch verstreuten Blätter durch und nahm dann eines davon in die Hand; es war ganz mit ungelenken Druckbuchstaben bedeckt. Er las:
    »›Baruch ata Adonaj Elohejnu melech ha-olam . . .‹« Er legte das Blatt zur Seite. »Anscheinend irgendein jüdisches Gebet.«
    Pelagia, die, nachdem sie die Blöße des Toten bedeckt hatte, allmählich ihre Fassung wiedergewann, sah sich inzwischen weiter um.
    Sie war selbst ganz erstaunt, wie viel sie sich in diesem kurzen Augenblick, bevor sie loskreischte, eingeprägt hatte.
    »Und diese Pfeife war nicht da«, sagte sie und zeigte auf eine Meerschaumpfeife, die auf dem Teppich lag.
    Neben die Pfeife hatte Dolinin bereits ein kleines Schildchen mit der Ziffer 8 gelegt, und über das Beweisstück selber hatte er aus irgendeinem Grund ein umgedrehtes Einmachglas gestülpt.
    »Sind Sie sich dessen ganz sicher?«, fragte er verstimmt.
    »Ja, sie wäre mir ganz bestimmt aufgefallen.«
    »Wie bedauerlich. Sie haben mir das allerwichtigste Indiz gemopst. Und ich Dummkopf habe es extra zugedeckt, damit nicht irgendwelche mikroskopisch kleinen Partikel weggepustet werden können.«
    Sergej Sergejewitsch winkte den Kapitän heran und fragte ihn, ob er die Pfeife kenne.
    Der versicherte bereitwillig:
    »Jawoll! Die Pfeife gehört Bootsmann Sawenki. Ich habe ihn mitgenommen, damit er mir in die Ecken leuchtet. Er hat sie wohl fallen lassen.«
    »Schwester, Sie sind ein Schatz!«, rief Dolinin enthusiastisch. »Mit Ihnen habe ich wirklich einen Glückstreffer gelandet. Wollen Sie nicht noch ein bisschen bleiben, meine Liebe? Es würde mich nicht wundern, wenn Ihnen noch etwas auffiele.«
    Von da an wandte sich der Untersuchungsführer, der die Angewohnheit besaß, laut zu denken, nur noch an Pelagia; die übrigen Anwesenden einschließlich des Chefs der Kreispolizei, würdigte er keiner Beachtung mehr. Anscheinend fand es Sergej Sergejewitsch interessanter – oder sagen wir: exotischer –, seine rhetorischen Fragen an die aufgeweckte Nonne zu richten.
    »Was meinen Sie, Schwester, wollen wir uns mal seine Kleidung anschauen?«, sprach er vor sich hin, während er die Leiche untersuchte: Nankinghosen, Weste, langer Kittel aus weißem Stoff mit einem blauen Streifen darauf. »Ts-so . . . Die Hose trägt kein Etikett. Billiger Plunder, wahrscheinlich auf einem Basar gekauft. Aber gereist ist er erster Klasse, inklusive ›Schatz‹. Ein kleiner Geizkragen . . . Was haben wir denn da auf dem Hemd? Etwa ein Wäschezeichen? Was sagen Sie dazu, Schwester? . . . Ganz richtig, unser Prophet hat bestimmt nicht die Dienste einer Wäscherei in Anspruch genommen . . . Die Stiefel sehen wir uns später an, die werden wir aufschneiden müssen . . .«
    Nachdem er die Untersuchung der Kleidung beendet hatte, schaute sich Dolinin um und nickte zufrieden vor sich hin.
    »Tja, in der Kabine wäre das so weit alles, jetzt sehen wir uns mal die nähere Umgebung an. Und den Anfang, meine Liebe, machen wir mit der Frage, auf welche Art und Weise man sich Zugang zur Kabine verschafft hat.«
    Er

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