Pelagia und der schwarze Moench
Eminenz
Noch rief ich Lästerliches aus.
Ahoi!
Doch kaum funkelten fern unter der Sonne
Die spiegelnden Wasser des heiligen Blauen Meers,
Ward ich gefangen von der zauberhaften Landschaft,
Vergaß auf einmal alle Last,
Und betend ging ich an Bord
Des dampfenden, schneeweißen Schiffes,
Das im Gedenken an Wassilisk benannt ist.
Ahoi!
Und eine lange Nacht, mondhell und kalt,
Zitterte ich unter der jämmerlichen Decke.
Versucht ich jedoch die Lider zu schließen,
Drängten sich sogleich vernehmlich in meinen Traum
Des Kapitäns wunderliche Schimpferei,
Der Matrosen Betgesänge
Und der Glocken Stundengeläut.
Um nun aber von der ermüdenden Dichtkunst zur gewöhnlichen Prosa überzugehen: An der Anlegestelle von Neu-Ararat ging ich unausgeschlafen und wütend wie ein Teufel von Bord. O je, verzeihen Sie, Vater; das hat sich von selbst geschrieben, wenn ich es aber durch streiche, dann gibt es eine Schmiererei, und das haben Sie doch gar nicht gerne, also zum Teufel damit, mit dem Teufel, passons.
Um die Wahrheit zu sagen, es war nicht nur der Schiffslärm, der mich nicht schlafen ließ, sondern auch das Buch, das Sie mir zum Abschied in den Korb mit den unvergleichlichen Quarkküchlein aus der bischöflichen Küche legten, wobei Sie unschuldig hinzufügten: »Achte nicht auf den Titel, Aljoscha, und erschrick nicht, das ist keine geistliche Lektüre, sondern ein kleiner Roman, damit dir der Weg nicht zu lang wird.« Oh, Sie tückischster aller babylonischen Götzenpriester!
Der Titel – »Die Dämonen« – und der ungewöhnliche Umfang des »kleinen Romans« schreckten mich tatsächlich ab, und ich begann erst auf dem Schiff zu lesen, beim Plätschern der Wellen und dem Kreischen der Möwen. In der Nacht las ich bis zur Hälfte, und ich glaube, ich habe verstanden, warum Sie mir dieses sperrige, aber inspirierte Traktat, das sich als Belletristik gebärdet, zugesteckt haben. Selbstverständlich nicht wegen des närrischen Gauners Petruscha Werchowenski und seiner Karikatur-Karbonari, sondern Stawrogins wegen, an dessen Beispiel Sie mir wohl demonstrieren wollen, in welch tödlicher Gefahr ich schwebe: den Übermenschen zu spielen und mich dann in einen Hanswurst zu verwandeln, oder; wie Sie sich auszudrücken pflegen, »die unsterbliche Seele zugrunde zu richten«.
Am Ziel vorbeigeschossen, eminence! Es gibt einen prinzipiellen Unterschied zwischen mir und dem byronistischen Herrn Stawrogin. Er führt sich flegelhaft auf, weil er an Gott glaubt (ich sehe es vor mir, wie Sie an dieser Stelle die Stirn runzeln – aber gut, schreiben wir GOTT) und beleidigt ist: »Wieso richtest Du nicht Deinen väterlichen Blick auf mich Flegel, wieso wäschst Du mir nicht den Kopf, stampfst nicht mit dem Fuß auf? Dann stelle ich eben noch etwas an, sieh nur, welchen Unfug ich treibe! Au! Wo bist Du denn? Wach auf! Ich nehme an, es gibt Dich überhaupt nicht.« Stawrogin langweilt sich unter normalen Menschen, gib ihm den Allerhöchsten Gesprächspartner. Ich hingegen glaube im Unterschied zu dem Schänder der kleinen Mädchen und Verführer der Idioten weder an GOTT noch an Gott, und dazu stehe ich unverbrüchlich. Mir reicht die Gesellschaft der Menschen vollkommen aus.
Als Sie mir zum Namenstag den Roman »Krieg und Frieden« des Grafen Tolstoj schenkten, war das schon eine zutreffendere literarische Anspielung. Mit Bolkonski habe ich mehr Ähnlichkeit – natürlich nicht in Bezug auf seine vornehme Herkunft, aber was sein Interesse für den Bonapartismus anbelangt. Ich stehe im vierundzwanzigsten Lebensjahr, aber ein Toulon ist nicht in Sicht, auch in ferner Zukunft nicht. Fürst Bolkonski hat aber vor lauter Sattheit und Blasiertheit einen derart unmäßigen Ehrgeiz entwickelt – schließlich erhielt er alle nur denkbaren Leckerbissen Fortunas wie Zugehörigkeit zum Adel, Reichtum und Schönheit einfach so, aufgrund seiner Geburt – , dass ihm nichts anderes übrig und zu wünschen blieb als ein Abgott für das ganze Volk zu werden. Ich hingegen komme aus der hungrigen, missgünstigen Schicht, was mich im Übrigen erheblich mehr mit Napoleon als mit Tolstojs Aristokraten verbindet und meine Aussichten auf eine Kaiserkrone erhöht. Scherz beiseite, aber wenn man satt ist, ist es schwerer, ein Bonaparte zu werden, als wenn man hungrig ist, denn ein voller Magen neigt nicht zur Gewandtheit, sondern zum Philosophieren und zum friedlichen Schlummer.
Aber ich habe mich verschwatzt. Sie erwarten von mir keine Auslassungen
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