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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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so freundliches, entwaffnendes Lächeln wettgemacht, dass es einfach unmöglich war, sich zu ärgern. »Ja«, erwiderte ich, »das ist der Roman › Die Dämonen‹. Haben Sie ihn nicht gelesen?« Er fuhr zusammen und zuckte überaus spaßig mit der Wange. »Nein«, sagte er, »ich habe ihn nicht gelesen, aber viel darüber gehört. Hier auf der Insel gibt es eine Bibliothek und eine Buchhandlung, aber der Archimandrit billigt den Verkauf weltlicher Bücher nicht. Er hat natürlich auf seine Art völlig Recht, aber so haben wir hier einfach nicht genug gute Romane und neue Theaterstücke.«
    Ein Wort gab das andere, und wir kamen ins Gespräch. Er setzte sich zu mir an den Tisch und erzählte mir bald die Geschichte seines Lebens, eine recht ungewöhnliche Geschichte. Er heißt Lew Nikolajewitsch und ist allem Anschein nach ein prächtiger Mensch, kann keiner Fliege etwas zuleide tun und spricht über niemanden schlecht. Ich selbst bin ja, wie Sie wissen, ganz anders und mag keine Fastenbrüder; doch dieser Lew Nikolajewitsch hat es mir irgendwie angetan.
    Er kommt aus Sankt Petersburg und hat sogleich ehrlich zugegeben, dass er zuvor in Korowins Krankenhaus war – man hatte ihn nach entsetzlichen Erlebnissen, an die er sich überhaupt nicht erinnern kann, in äußerst schlechtem, beinahe unzurechnungsfähigem Zustand dort eingeliefert. Der Doktor sagt, es sei besser so, man solle Vergangenes nicht wieder aufrühren, sondern müsse das Leben neu anpacken. Jetzt ist Lew Nikolajewitsch vollkommen geheilt, aber er will nicht mehr weg von Kanaan. Er hat eine Zuneigung zu Korowin gefasst und fürchtet sich vor der Welt. So hat er es ausgedrückt: »Ich fürchte mich vor der Welt – ich will nicht von neuem scheitern. Hier ist es friedlich und ruhig, hier ist Gottes Schönheit, und alle Menschen sind sehr gut. Um in der großen Welt zu leben, braucht man Kraft – eine Kraft, mit der man die ganze Last der Welt auf sich nehmen kann, ohne niedergedrückt zu werden. Groß ist der; der mit Jesus sagen kann: › Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.‹ Aber es steht auch geschrieben: › Bürde einem Schwachen keine unzumutbaren Lasten auf.‹ Ich bin schwach, mir geht es besser hier auf der Insel.« Eine originelle Figur; dieser ehemalige Petersburger. Sie müssten sich einmal mit ihm unterhalten,, Sie beide würden Gefallen aneinander finden. Ich erzähle Ihnen deshalb von Lew Nikolajewitsch, weil Ihre »Dämonen« jetzt bei ihm sind. So werde ich nicht erfahren, wie Werchowenskis Verschwörung ausgegangen ist. Das ist natürlich bedauerlich, aber Lew Nikolajewitsch hat das Buch mit einem solchen Verlangen betrachtet – es war offensichtlich, dass er gerne darum gebeten hätte, sich aber nicht traute. Nun, da habe ich es ihm gegeben. Ohnehin habe ich jetzt keine Zeit, Romane zu lesen, ich wurde schließlich von der heiligen Inquisition als Exorzist hierher gesandt.
    Denken Sie nur nicht, Scheich ul-Islam, dass ich hier lediglich in Restaurants und Kaffeestuben herumsitze oder nach Prinzessinnen Ausschau halte (du Schöne, wo bist du?). Ich bin immerhin schon auf ganz Kanaan herumgeklettert und habe die Nachbarinsel von allen Seiten mit dem Binokel inspiziert – beinahe wäre ich dabei aus dem Boot gefallen. Alle drei Eremiten habe ich gesehen, wie sie aus ihrer Höhle hervorkrochen und sich Bewegung verschafften. Sie gehen ganz gekrümmt und schleppen sich nur mit Mühe dahin – das sind keine Menschen, sondern Maulwürfe. Ich kann mich rühmen: Der Abt (er hat eine weiße Borte an seiner Kapuze) hat mich mit seiner allerheiligsten Aufmerksamkeit bedacht – er hat mit seinem Stock gedroht, ich solle nicht näher herankommen.
    Ich habe herausgefunden, dass der Obermaulwurf Vater Israil heißt und eine höchst interessante Biografie hat. Vor seiner Mönchsweihe war er einer jener reichen Müßiggänger, die sich vor lauter Nichtstun und Blasiertheit irgendein Hobby zulegen, sich dieser Schrulle mit Leidenschaft widmen und dafür ihr ganzes Leben und ihr Vermögen hingeben. Dieser wählte ein gar nicht so seltenes, dafür aber über die Mafien zeitraubendes Steckenpferd – er sammelte Frauen, und er war darin so geschickt, dass ein gewisser Prorektor im Ruhestand, ein früherer Bekannter von mir, im Vergleich zu ihm als reinster Seraph erscheint. Die Wissbegierde dieses neuen Don Juans war dermaßen unersättlich, dass er angeblich einen geografischen Atlas der vergleichenden weiblichen Anatomie erstellte

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