Pelagia und der schwarze Moench
Briefes. Zu Anfang hatten Matwej Benzionowitsch und Pelagia lächelnd zugehört – der Vergleich des Bischofs mit dem Erzbischof Turpin von Reims, dem unerbittlichen Verfolger der Mauren und Waffenbruder des Grafen Roland Roncesvalles, belustigte sie. Doch gegen Ende der umfangreichen Epistel zeigten die Nonne und der stellvertretende Staatsanwalt eine betretene Miene, und Berditschewski bezeichnete Alexej Stepanowitsch, der sich offenbar interessant machen wollte, sogar als »Schuft«. Sie beschlossen, auf Aljoschas Provokation nicht einzugehen und sich bezüglich der rätselhaften Anspielungen im Postscriptum nicht in Vermutungen zu ergehen, sondern den morgigen Bericht aus Neu-Ararat abzuwarten und dann alles ausführlich zu diskutieren.
Doch am nächsten Tag war kein Brief von Lentotschkin in der Post. Weder am zweiten noch am dritten oder vierten Tag kam ein Brief. Der Bischof war über die Maßen besorgt und überlegte, ob er nicht Vater Witali über den verschwundenen Emissär unterrichten sollte, und wenn er dies nicht tat, so lediglich, weil es ihm unangenehm war: Er hätte dem Archimandriten bekennen müssen, dass Alexej Stepanowitsch ohne sein Wissen nach Ararat geschickt worden war.
Am siebten Tag, als der abgehärmte, von Schlaflosigkeit erschöpfte Mitrofani schon erwog, höchstpersönlich zum Blauen See zu fahren (aus Angst um Aljoscha kümmerten den Bischof diplomatische Verwicklungen inzwischen nicht mehr), traf endlich ein Brief ein, der aber völlig anders war als er erste. Der Bischof rief wieder seine Berater zu sich und las ihnen das Schreiben vor, wobei aber seine Miene keine Zufriedenheit mehr ausdrückte, sondern eher Bestürzung. Bei diesem Brief gab es keinerlei Einleitung oder Anrede, Aljoscha kam sofort zur Sache.
***
Alexej Stepanowitschs zweiter Brief
Ich weiß, dass ich mit der Fortsetzung über alle Maßen im Rückstand bin, doch dafür gibt es Gründe, über die man nicht scherzt. Ganz recht: nicht scherzt. Der schwarze Mönch ist kein Trick eines gewitzten Spitzbuben, wie ich zunächst annahm, sondern hier ist etwas ganz anderes im Spiel. Vorläufig habe ich selbst noch nicht begriffen, was genau.
Am besten erzähle ich alles der Reihe nach. Zum einen will ich nicht den Faden verlieren, zum anderen möchte ich selbst begreifen, wie das alles passiert ist und was sich zuerst ereignet hat und was danach. Sonst wird mir ganz schwindlig.
Nachdem ich den vorherigen Brief an Sie abgeschickt und reichlich zu Abend gegessen hatte (ist seither wahrhaftig erst eine Woche vergangen – mir scheint, es sind Monate oder sogar Jahre), ging ich zur Landzunge wie zu einem fröhlichen Picknick, und ich freute mich schon im Voraus darauf, welchen Streich ich dem vermeintlichen Mystifikator spielen würde, der friedliche Mönche in Angst und Schrecken versetzt. Zwischen zwei großen Findlingen, an einer Stelle, die ich mir zuvor ausgesucht hatte, ließ ich mich mit allem Komfort nieder. Ich setzte mich auf eine Decke, die ich aus dem Hotel mitgenommen hatte, in der Thermoskanne gluckerte Tee mit Rum, in meinem Bündel hatte ich süße Piroggen aus der bemerkenswerten Konditorei » Versuchung des hl. Antonius«. Ich saß also da, aß einen Happen, lachte still in mich hinein und wartete, dass der Mond aufging. Auf dem See war es stockfinster, kein Waldgeist (besser gesagt kein Wassergeist) ließ sich blicken, nur die Nachbarinsel hob sich als dunkler Flecken vom Wasser ab.
Doch da zog sich eine gelbe Spur über die weite, glatte Wasserfläche, die Tintenschwärze der Nacht begann zu schillern, die Finsternis gab nach, wich an den Rand des Himmels zurück, und in der Mitte erstrahlte der Mond. Im selben Augenblick erschien unmittelbar vor mir eine schmale schwarze Silhouette, die die blasse Scheibe des Nachtgestirns teilweise verdeckte. Ich bin bereit, Stein und Bein zu schwören: Gerade eben, vor einer Sekunde, war sie noch nicht da gewesen, und plötzlich war sie da – ein spitzer Kegel, lang gezogen, leicht schwankend. Und zwar nicht an der Stelle, wo ich sie erwartet hätte (dort ragt ein flacher Stein leicht aus dem Wasser hervor), sondern etwas weiter seitlich, wo überhaupt keine Steine mehr sind.
Im ersten Moment fragte ich mich nur verblüfft, woher die Gestalt so plötzlich kommen konnte. Zwar war es bis zum Mondaufgang dunkel gewesen, aber nicht so dunkel, dass ich einen Menschen auf zehn Schritt Entfernung nicht gesehen hätte!
Nach meinem Plan hatte ich sofort bei Erscheinen von
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