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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Kubowski ist ein Mann von nüchterner, beinahe kynischer Mentalität, ohne jegliches Interesse an übernatürlichen Phänomenen. So neigt er dazu, sämtliche Er-sch einungsformen der menschlichen Psychologie ausschließlich vom Standpunkt der Aufnahme, Verdauung oder Ausscheidung von Nahrung aus zu betrachten. Wenn er mich beispielsweise in Gedanken über den schwarzen Mönch versunken antrifft, sagt er: »Ei, ei, mein Bester, Sie müssen etwas Scharfes essen, dann geht die ganze Melancholie vorbei.« Oder wenn ich ihm von Ferne die romantische Dame zeige, die mich um ein Haar davon abgehalten hätte, meine Aufgabe für Sie zu erfüllen (ach, Traumprinzessin, mir steht jetzt nicht der Sinn nach dir!), bemerkt Kubowski kopfschüttelnd: »Wie blass die Ärmste aussieht. Sicherlich isst sie schlecht, nicht nahrhaft genug, das ist die Ursache für einen empfindlichen Magen und eine träge Verdauung. Dagegen hilft ein wenig Stör mit Moosbeerensirup, und darauf ein Gläschen italienischer Grappa oder französischer Calvados. Das belebt den Darm.« Nun, Sie verstehen, was für ein Subjekt das ist. Also habe ich mir überlegt, ihn unter dem Vorwand eines für die Verdauung nutzbringenden Nachtspaziergangs mitzunehmen. Erstens würde es in Gesellschaft nicht so unheimlich sein, zweitens würde der Rechtsanwalt Wassilisk nicht sehen können, wenn es sich um eine Halluzination handelte, und drittens würde man einen so prosaischen Menschen nicht hinters Licht führen, wenn es sich um einen Zirkustrick handelte. Ich habe meinen Gefährten absichtlich nicht vorgewarnt – um das Experiment nicht zu gefährden.
    Doch augenscheinlich bestand darin mein Fehler, meine Schuld.
    Alles geschah genauso wie neulich. Ich platzierte Kubowski absichtlich mit dem Gesicht in Richtung Nachbarinsel und starrte selbst ununterbrochen auf die bewusste Stelle. Dort war niemand, nichts und niemand, das ist unbestreitbar.
    Doch kaum brach der Mond durch die leichten Wolken, erschien auf dem Wasser auch schon die bekannte Gestalt, fast sofort von blendendem Glanz umhüllt.
    Die Stimme vernahm ich dieses Mal nicht, weil mein Kyniker, der sich gerade ein Schokoladenbonbon in den Mund stecken wollte, wie wild zu schreien anfing und unerwartet flink davor stürzte. Ich konnte ihm kaum folgen (ja, ja, kaum kroch mir diese abscheuliche Grabeskälte über die Haut, verlor ich mein ganze Entschlusskraft) und hätte ihn wohl am Stadtrand noch nicht eingeholt, wenn Kubowski nicht auf halber Strecke plötzlich mit dem Gesicht nach unten zu Boden gestürzt wäre. Ich hockte mich neben ihn und sah, dass er röchelte, mit den Auge rollte und keine weiteren Anzeichen mehr zeigte, auf stehen un davonlaufen zu wollen . . .
    Er starb. Nicht dort, auf dem Weg, sondern am nächsten M0rgen in der Krankenstube des Klosters. Eine Gehirnblutung. Mit anderen Worten, dem Rechtsanwalt war jener Herr Kondrati erschienen, vor dem ihn der violette Doktor Faust gewarnt hatte.
    Was meinen Sie, Eminenz, wer hat den bedauernswerten Vielfraß getötet – ich oder der schwarze Mönch? Selbst wenn er es war – ich bin dennoch ein Mittäter.
    Während die barmherzigen Brüder (bärtige Mönche mit weißen Kitteln über ihren schwarzen Kutten) den Verstorbenen zur Eishaus brachten, ging ich direkt von der Krankenstube zur Heilanstalt des Doktor Korowin, und trotz der frühen Stunde ver langte ich, unverzüglich die Koryphäe für Nervenleiden und psychische Erkrankungen zu sprechen. Man wollte mich zunächst um keinen Preis vorlassen, weil ich keine Empfehlung hatte, aber Sie kennen mich ja: Wenn nötig, gehe ich auch durch ein Nadelöhr. Ich hatte zwei Fragen an die Koryphäe. Erstens: Gibt es ein das Gehör und das Auge affizierende Gruppenhalluzination? Zweitens: Hatte ich vielleicht den Verstand verloren?
    Korowin widmete sich zunächst der zweiten Frage und beantwortete sie erst nach einer Stunde. Er stellte mir Fragen über Papa, Mama und weitere Vorfahren bis hin zu Urgroßvater Pantelejmon Lentotschkin, der an Säuferwahnsinn verstorben ist Dann leuchtete er mir in die Pupillen, klopfte mir mit dem Hammer auf die Gelenke und ließ mich anschließend geometrische Figuren zeichnen. Am Schluss verkündete er: »Sie sind vollkommen gesund, aber irgendetwas hat Ihnen einen solchen Schreck eingejagt, dass Sie geradezu hysterisch sind. So, nun zu Ihrer Geschichte mit der Halluzination.« Ich erzählte ihm alles. Erhörte aufmerksam zu, nickte und lieferte mir dann folgende Erklärung,

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