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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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nervöses Ekzem etwa, ein Pickel oder, Gott bewahre, ein Popel, der ihm aus der Nase hing? Doch nein, sein Äußeres – das männliche Kinn, der energische Mund, der prächtige Schnurrbart und die ebenmäßige, vollkommen saubere Nase – war so schön und angenehm anzusehen wie immer.
    Ein Idiot mit Baskenmütze, nicht besonders groß, aber mit einer riesigen dunklen Brille, verdarb dem Oberst endgültig die Laune. Der Mann versperrte Lagrange den Weg, hantierte aus irgendeinem Grund an der Fassung seiner Clown-Brille und brummte dazu:
    »Vielleicht dieser hier? Rot – das ist gut, das ist möglich. Aber der Kopf! Himbeerrot! Nein, nicht geeignet!« Und dann überschritt er vollends die Grenzen anständigen Benehmens, indem er erbost mit den Armen vor dem Oberst herumfuchtelte. »Gehen Sie, gehen Sie! Was stehen Sie hier herum? Eine Eiche? Eine Stirn aus Gusseisen!«
    Was für ein Städtchen!
    ***
    Die »Arche Noah«, über die Felix Stanislawowitsch vom Bischof gehört hatte, war abgesehen von den Preisen in jeder Hinsicht ein gutes Hotel. Wo gibt es denn so etwas – sechs Rubel für ein Zimmer? Der Oberst hatte selbstredend eine gewisse Summe aus der persönlichen Schatulle des Bischofs erhalten, die zur Bezahlung selbst einer so verschwenderischen Unterkunft völlig ausgereicht hätte, doch der Polizeimeister legte die Findigkeit an den Tag, die ihm überhaupt in höchstem Maße eigen war: Er schrieb sich im Gästebuch des Hotels ein und bekundete die feste Absicht, das Zimmer für mindestens drei Tage zu mieten, blieb aber dann unter dem Vorwand, die Aussicht gefalle ihm nicht, doch nicht in der »Arche«, sondern suchte sich ein günstigeres Obdach. Das Hotel »Zuflucht der Demütigen« verlangte von den Gästen nur einen Rubel pro Zimmer, das heißt, es blieben fünf Rubel Reinerlös pro Tag. Vater Mitrofani gehörte nicht zu denen, die sich mit Kleinigkeiten aufhalten, und sollte eines Tages der Revisor des Konsistoriums seine Nase in die Abrechnung stecken, dann bitte sehr, hier haben Sie den Beweis – F. S. Lagrange hat sich im Gästebuch der »Arche Noah« eingetragen, und alles Übrige sind alberne Mutmaßungen.
    Nachdem der Polizeimeister die Nacht in einem winzigen Zimmer mit Aussicht auf die blinde Ziegelmauer der klösterlichen Fischräucherei verbracht hatte, trank er am Morgen Tee, um dann unverzüglich zur Rekognoszierung zu schreiten. Die Informationen, die der Bischof von Alexej Stepanowitsch Lentotschkin erhalten hatte, bedurften einer allseitigen, sorgfältigen Überprüfung, da sie wirklich in jeder Hinsicht Zweifel hervorriefen, in erster Linie, was die Persönlichkeit des Emissärs selbst betraf, den der Oberst ein wenig kannte und den er bei sich nie anders nannte als »der junge Hüpfer«. Nicht genug damit, dass dieser ein leichtsinniges, verantwortungsloses Subjekt war, das man nach seinem abscheulichen Verhalten in der Stadt K. eigentlich unter Polizeiaufsicht hätte stellen müssen, – jetzt war er auch noch durchgedreht. Wer weiß, wann die Trübung seines Gehirns eingesetzt hatte – vielleicht hatte er ja schon bei der Ankunft in Neu-Ararat eine Meise, dann wäre ohnehin alles, was er geschrieben hatte, erstunken und erlogen.
    Felix Stanislawowitsch bewaffnete sich mit einem Plan von Neu-Ararat und unterteilte die Stadt in Quadrate, die er um zwei Uhr mit offenen Ohren und Augen bereits sämtlich durchkämmt hatte. Was ihm auffiel, notierte er in einem eigens dafür bestimmten kleinen Heft.
    Beim Brunnen mit heilkräftigem Wasser unterhielten sich einige respektabel aussehende Pilger ehrwürdigen Alters halblaut über die Ereignisse der vergangenen Nacht, die trotz des abnehmenden Mondes hell gewesen war.
    »Er wurde wieder gesehen«, erzählte ein Herr im grauen Zylinder mit Trauerflor, die Stimme geheimnisvoll gedämpft. »Psoi Timofejewitsch hat durchs Fernrohr geschaut, vom Glockenturm der Unbefleckten Empfängis aus. Näher hat er sich nicht herangewagt.«
    »Und was hat er gesehen?«, Die Zuhörer rückten näher.
    »Sie wissen schon. Ihn. Er wandelte auf dem Wasser. Dann verschwand der Mond hinter einer Wolke, und als er wieder hervorkam, war er nicht mehr da . . .«
    Der Erzähler bekreuzigte sich, und alle anderen folgten seinem Beispiel.
    »Psoi Tim.«, notierte Lagrange, um den Zeugen später ausfindig machen und befragen zu können. Aber im Verlauf seiner Rekognoszierung vernahm er das Gerede über die gestrige Wandlung auf dem Wasser nicht nur ein – oder zweimal.

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