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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Dutzend Matrosen, das auf den Knien lag und betete, zum Aufstehen zu bewegen. Felix Stanislawowitsch hörte: »In Deiner Gnade suchen wir Zuflucht, Heilige Mutter Gottes . . .« Das Steuerrad auf der Kommandobrücke wirbelte wie betrunken hin und her, das Schiff schlingerte durch die tosenden Wellen und trieb richtungslos dahin.
    Lagrange stürzte zum Kapitän und fragte: »Warum haben Sie das Steuer losgelassen, Nachimow?«
    Der Kapitän fuhr mit seiner riesigen Pranke durch die Luft.
    »Weil ich es alleine nicht herumreißen kann! Dieses Schiffchen ist Pfusch, bei schwerem Seegang kann es den Kurs nicht halten! Ich habe es dem Archimandriten gesagt! Dieser Kahn ist gemacht, um Damen auf der Newa umherzuschippern, aber nicht für das Blaue Meer! Wir treiben auf den Teufelsstein zu, dort gibt es Sandbänke!«
    In diesem Moment lief ein Ruck durch das Schiff, und es blieb stehen wie aufgebockt. Beide, der Polizeimeister wie der Kapitän, flogen gegen die Wand und fielen beinahe zu Boden. Das Schiff rutschte ein wenig und begann dann, sich langsam um die eigene Achse zu drehen.
    »Es ist vorbei, wir sind aufgelaufen!«, schrie der Kapitän verzweifelt. »Wenn es uns jetzt nicht gelingt, den Bug zu drehen, haben wir in einer Viertelstunde Schieflage, und dann sind wir verloren! Ach, diese stinkenden Böcke!« Er schwenkte den Arm in Richtung seiner betenden Mannschaft. »Man müsste ihnen ordentlich die Schnauze polieren, aber ich darf nicht, ich habe Gewaltlosigkeit gelobt!«
    Felix Stanislawowitsch runzelte konzentriert die Stirn.
    »Und wenn wir ihnen die Schnauze polieren, was dann?«
    »Alle gemeinsam müssen sich in die Trossen legen, dann könnten wir es schaffen. Ach, was machen wir jetzt nur?«
    Der Kapitän schlug die Hände zusammen, fiel ebenfalls auf die Knie und begann näselnd zu sprechen:
    »Nimm hin, o Herr, die Seele Deines Sklaven, in Dich, unseren Herrn und Schöpfer und Gott, legen wir all unsere Zuversicht . . .«
    »In die Trossen legen?«, fragte der Oberst eifrig. »Das haben wir gleich.«
    Er trat zu dem am nächsten knienden Mönch, beugte sich nieder zu ihm und sagte vertraulich:
    »Na, na, stehen Sie auf, Vater, sonst drehe ich Ihnen das heilige Abendmahl im Magen herum.«
    Der betende Mönch schenkte der Warnung kein Gehör. Da packte Felix Stanislawowitsch ihn, stellte ihn mit einer ruckartigen Bewegung auf die Beine und erfüllte seine grimmige Absicht im Handumdrehen. Er ließ den heiligen Mann vor Verblüffung rote Suppe mit Einlage ausspeien und nahm sich sogleich den zweiten vor. Keine Minute war vergangen, und alle Matrosen an Deck waren in völlige Subordination gebracht.
    »Wo muss man jetzt hier ziehen?«, erkundigte sich Lagrange beim Kapitän, der angesichts von so viel Organisationstalent erstarrt war.
    Und alles ging gut, der Herr war gnädig, alle Matrosen legten sich mit ihrem ganzen Gewicht gemeinsam in die Trossen, der Bug des Schiffes wurde gewendet, und niemand ertrank.
    ***
    Bevor sie auseinander gingen, als das Schiff bereits an der Anlegestelle von Neu-Ararat lag, hielt Bruder Jonas (so hieß der Kapitän) Felix Stanislawowitschs Hand noch lange in seiner eisernen Pranke.
    »Geben Sie Ihren Dienst auf«, dröhnte Jonas, während er den Oberst mit seinen klaren blauen Augen, die sich in dem breiten, derben Gesicht erstaunlich ausnahmen, unverwandt anblickte. »Kommen Sie zu mir als Obermaat. Sie wären wahrhaftig ein guter Seemann. Hier auf dem Blauen Meer ist es sehr interessant, das haben Sie selbst erlebt. Und gleichzeitig können Sie Ihre Seele retten.«
    »Vielleicht in Bezug auf die Damen an Bord«, überlegte der Polizeimeister, während er über seinen Schnurrbart strich, denn in dem Moment trat Natalja Henrichowna ans Fallreep, die eine strengere Miene aufgesetzt und das leichtsinnige Hütchen gegen ein schlichtes schwarzes Tuch eingetauscht hatte. Ein Gepäckträger schleppte einen ganzen Berg von Koffern, Reisetaschen und Schachteln hinter ihr her und brachte es fertig, diese ganze Cheops-Pyramide auf dem Kopf zu balancieren. Die Pilgerin blieb stehen, bekreuzigte sich und verbeugte sich tief vor der prächtigen Stadt – besser gesagt, vor ihrer erleuchteten Uferstraße, denn von Neu-Ararat selbst war nichts zu sehen, weil es bereits dunkel war. Das Schiff hatte einen halben Tag auf der Sandbank festgesteckt, als man auf einen Schlepper wartete, und die Insel daher mit großer Verspätung und erst nach Einbruch der Dunkelheit erreicht.
    Lagrange verneigte

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