Pelagia und der schwarze Moench
Es zeigte sich, dass außer dem unbekannten Psoi Timofejewitsch noch einige andere Wagemutige aus sicherer Entfernung die Landzunge beobachtet hatten, und sie alle hatten etwas gesehen, ja, einer behauptete obendrein, der schwarze Mönch gehe nicht einfach auf dem Wasser, sondern er schwebe über dem Wasser. Ein anderer hatte auf Wassilisks Rücken Flügel ausgemacht, mit Flughäuten wie bei einer Fledermaus (Sie wissen schon, wer solche hat!).
Im Schnitzelrestaurant »Zum wohl genährten Kalb« hörte der Polizeimeister mit an, wie sich zwei ältere Damen darüber stritten, ob es schicklich gewesen sei, die Frau des Bakenwärters und ihr vorzeitig geborenes Kind in geweihter Erde zu bestatten, und ob dadurch nicht der Klosterfriedhof entweiht worden sei. Nicht umsonst sei er vorgestern am Zaun gesehen worden – von einer Hostienbäckerin, die darob so erschrocken war, dass sie bis jetzt noch stotterte. Sie einigten sich darauf, dass man die Frau des Bakenwärters hätte begraben können, ihre ungetaufte Leibesfrucht hingegen hätte man besser verbrennen und den Staub in alle Winde zerstreuen sollen.
Auf einer Bank an einem Platz nah beim See saßen graubärtige Mönche, die zu den Älteren der Bruderschaft gehörten. In schicklichem, halblautem Ton erörterten sie, dass jedes Zweifeln in Glaubensfragen zu Unsicherheit und Versuchung führe, und einer von ihnen, dem die anderen mit besonderer Aufmerksamkeit lauschten, rief dazu auf, die Wassilisk-Einsiedelei eine Zeit lang zu schließen, um zu sehen, ob der Schutzpatron nicht Ruhe gebe, und wenn er daraufhin mit dem Unfug aufhöre, dann bedeute das, man müsse die Nachbarinsel als unheimlichen, möglicherweise sogar verfluchten Ort unbewohnt lassen.
Der Oberst stand eine Zeit lang hinter der Bank und gab sich den Anschein, als bewundere er den Sternenhimmel (der Mond war an diesem Tag aus astronomischen Gründen nicht zu sehen). Dann schlenderte er weiter.
Er hörte noch so allerlei. Man hatte Wassilisk bei Nacht nicht nur auf dem Wasser und beim Friedhof gesehen, sondern auch in Ararat selbst: in der Nähe der abgebrannten Kosmodamian-Kirche, an der Klostermauer, in der Gethsemane-Grotte. Bei allen, denen er erschien, wies der schwarze Mönch warnend auf die Nachbarinsel.
Es zeigte sich also, dass der »junge Hüpfer« in der Darlegung der Fakten keineswegs gelogen hatte. Es hatte tatsächlich gewisse Erscheinungen gegeben, deren Sinn und Bedeutung bislang nicht geklärt war. Die erste Aufgabe konnte mit dieser eingehenden Untersuchung als erledigt betrachtet werden.
Für die weitere Reihenfolge der Ermittlungsarbeiten war Folgendes vorgesehen: Einholung der Aussage von Doktor Korowin und Befragung des verrückten Lentotschkin, natürlich nur, wenn dieser sich überhaupt noch artikulieren konnte. Und danach, sobald alle vorläufigen Informationen zusammengestellt sein würden, ein Hinterhalt auf der Landzunge mit unverzüglicher Arretierung des Gespensts und Feststellung seiner Identität.
Kurz, es boten sich keine großen Schwierigkeiten. Felix Stanislawowitsch hatte schon verwickeltere Knäuel zu entwirren gehabt.
Die Zeit war bereits fortgeschritten und für eine Visite in der Heilanstalt unangebracht, und der Oberst wandte sich in Richtung »Zuflucht der Demütigen«, wobei er den Unterhaltungen der Menschen, die ihm begegneten, nicht mehr so aufmerksam lauschte und nunmehr die Sitten und Gebräuche in Neu-Ararat einer genauen Betrachtung unterzog.
Lagrange fand unleugbar Gefallen an der Stadt. Sauberkeit, Ruhe und Ordnung, Nüchternheit. Keine Vagabunden, keine Bettler (wer würde sie schon aufs Schiff lassen, damit sie dann auf die Insel kämen?), keine Zerlumpten, die ein Ärgernis fürs Auge darstellen. Die einfachen Leute, die nicht dem geistlichen Stand angehörten – Fischer oder Handwerker etwa – , waren reinlich und anständig gekleidet, die Weiber trugen weiße Kleider, hatten runde Gesichter und wohl genährte Körper. Alle Laternen waren heil, die Trottoire bestanden aus glatt gehobelten Balken, die Fahrdämme waren von guter Qualität und ohne Risse. In ganz Russland konnte man wohl kein zweites so vorbildliches Städtchen finden.
Der Oberst hatte noch ein anderes, zutiefst berufliches Interesse an Neu-Ararat. Als eine Ansiedlung, die aus dem Klosteranwesen hervorgegangen und auf Kirchenbesitz gelegen war, fiel die Stadt nicht unter die Verwaltungshoheit des Bezirks, sondern unter die direkte Verwaltung des Archimandriten, weshalb sie
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