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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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verkrochen, am allerersten Tag. Das ist der einzige Ort, an dem er sich aufhalten kann. Es ist warm, Wände und Dach sind nicht zu sehen. Wenn er Hunger hat, isst er eine Frucht. Wasser gibt es auch, eine Wasserleitung ist da. Sie wollten ihn sehen. Bitte sehr! Er ist nur sehr menschenscheu. Vielleicht versteckt er sich – da drin ist ein richtiger Dschungel.«
    »Das macht nichts, wir finden ihn schon«, versicherte der Polizeimeister überzeugt. Er riss die Tür auf und marschierte in die feuchte, klebrige Hitze, die seinen Kragen auf der Stelle pitschnass werden und einen kitzligen Schweißfaden den Rücken hinunterrinnen ließ.
    Er trabte den Hauptweg entlang und drehte den Kopf nach rechts und nach links.
    Donat Sawwitsch hingegen fiel sofort zurück.
    Aha! Hinter einem ausladenden Gewächs, dessen Namen der Oberst nicht kannte – es war giftgrün, mit Fleisch fressenden roten Knospen – blitzte etwas hervor, das von der Farbe her ein Körper sein konnte.
    »Alexej Stepanowitsch!« rief der Polizeimeister. »Herr Lentotschkin! Bleiben Sie stehen!«
    Von wegen! Die breiten, glänzenden Blatter erzitterten, und das leichte Geraschel davoneilender Füße erklang.
    »Doktor! Gehen Sie linksherum, ich gehe rechtsherum!« kommandierte Lagrange, und er nahm die Verfolgung auf.
    Er stolperte über eine dicke, sich über den Boden windende Ranke und schlug mit dem Gesicht nach unten auf den Boden. Das half. Vom Boden aus erblickte Felix Stanislawowitsch ein Stück eines Fußes, der hinter dem haarigen Stamm einer Palme hervorragte – etwa zehn Schritt entfernt, nicht mehr. Also da hast du dich versteckt, mein Bester!
    Der Oberst stand auf, klopfte sich Ellbogen und Knie ab und rief:
    »Es ist gut, Donat Sawwitsch! Soll er nur! Wenn er nicht will, dann eben nicht.«
    Langsam kroch er durch das Gebüsch – ein Sprung zur Seite, und schon hatte er den nackten Mann an der Schulter gepackt.
    Er war es – der Adlige Alexej Stepanowitsch Lentotschkin, 23 Jahre alt, kein Zweifel. Die kastanienbraunen Locken, die blauen Augen (die im Moment wild aufgerissen waren), das ovale Gesicht, der hagere Körper, Größe ein Meter siebenundsiebzig.
    »Na, na, du brauchst nicht zu zittern«, sagte der Polizeimeister begütigend, denn es wäre ihm merkwürdig vorgekommen, einen Verrückten mit nacktem Hintern zu siezen. »Bischof Mitrofani schickt mich, ich bin gekommen, um dir zu helfen.«
    Der Junge machte keinen Versuch, sich loszureißen, und blieb friedfertig stehen, zitterte aber heftig.
    »Ich gebe ihm eine Spritze, damit er keinen Radau macht«, ließ sich Korowins Stimme vernehmen.
    Der Doktor holte ein flaches Metallkästchen aus der Kitteltasche. In dreißig Sekunden hatte er eine Spritze mit einer durchsichtigen Flüssigkeit aus einem kleinen Fläschchen aufgezogen, als Aljoscha jämmerlich zu weinen anfing und sich dem Polizeimeister an die Brust warf. Es sah nicht so aus, als würde er Radau machen.
    »Ich sehe schon, ich habe mich getäuscht, Sie sind wirklich sein heiß geliebter Onkel«, bemerkte Korowin kaltblütig und steckte die aufgezogene Spritze in die Tasche.
    »Ach, scheren Sie sich zum Teufel«, winkte Lagrange ab, und er strich dem Verrückten unbeholfen über seinen lockigen Hinterkopf. »Ei, ei, ei, wie uns der ganze Unsinn erschreckt hat. Aber wir werden es ihnen zeigen. Husch, fort mit euch, werden wir sagen! Diesen Wassilisk werde ich im Nu schnappen, der wird mir keine Mätzchen machen. Der soll sich nur trauen, jetzt ist es aus mit ihm!«
    Lentotschkin schluchzte, aber nicht mehr so krampfhaft wie zu Anfang.
    Der Oberst rückte ein Stück ab und fragte schmeichelnd:
    »Was hat dich denn so erschreckt? Na damals, in der Nacht? Sag schon, hab keine Angst.«
    »Ps-s-st«, zischte der Jüngling und legte den Finger an die Lippen. »Er hört uns.«
    »Wer, der schwarze Mönch? Der hört gar nichts. Der schläft tagsüber«, erklärte Felix Stanislawowitsch, der sich darüber freute, dass Aljoscha sich so zusammenhängend ausdrückte. »Sprich ganz leise, er wacht schon nicht auf.«
    Der Verrückte warf Korowin von der Seite einen furchtsamen Blick zu, rückte dicht an Lagrange heran und flüsterte ihm ins Ohr:
    »Das Kreuz ist gar kein Kreuz, es ist genau umgekehrt. Krrr an der Scheibe, die Wände trrr, die Decke schschsch, und du kannst nicht weglaufen. Die Tür ist klein, da kommt man nicht durch. Und die Fenster sind überhaupt winzig-winzig-klein.« Er zeigte mit seinen Fingern wie klein. »Das

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