Pelagia und der schwarze Moench
so gerne hier. Neulich, als die Luft ganz besonders durchsichtig war, wissen Sie, was mir da eingefallen ist?« Der Blondhaarige rückte ein Stück, um Platz zu machen, und fing wieder an zu lachen. »Man müsste mal einen eingefleischten Atheisten hierher verpflanzen, einen von denen, die immerzu wissenschaftliche Beweise für die Existenz Gottes verlangen, und diesem Skeptiker die Insel und den See zeigen. Da hätte er seinen Beweis, andere braucht es gar nicht. Finden Sie nicht auch?«
Felix Stanislawowitsch stimmte ihm sofort eifrig zu, während er überlegte, wie er die Unterhaltung am besten in produktive Bahnen lenken könnte, aber sein redseliger Gesprächspartner hatte offenbar eigene Vorstellungen über die bevorstehende Konversation.
»Es kommt mir sehr gelegen, dass Sie sich zu mir gesellen. Ich habe hier in einem Roman sehr viele wichtige Dinge gelesen und möchte mich schrecklich gerne mit jemandem darüber aus tauschen. Zudem habe ich viele Fragen. Und Sie haben ein so kluges, energisches Gesicht. Man sieht sofort, dass Sie zu allem eine feste Meinung haben. Sagen Sie doch, was ist Ihrer Ansicht nach das ungeheuerlichste Verbrechen, das ein Mensch begehen kann?«
Der Polizeimeister überlegte eine Weile, dachte an die Bestimmungen des Strafrechts und erwiderte dann:
»Hochverrat.«
Der Romanleser schlug die Hände zusammen, und vor lauter Aufregung zuckte seine rechte Wange.
»Oh, wie ähnlich wir denken! Stellen Sie sich vor, ich meine ebenfalls, dass es nichts Schlimmeres als Verrat gibt und geben kann! Das heißt, ich meine nicht einmal Hochverrat (obwohl es natürlich nicht richtig ist, einen Eid zu brechen), sondern den Verrat am anderen. Besonders, wenn jemand schwach ist und dir von ganzem Herzen vertraut. Ein Kind zu verführen, das dich vergöttert und nur durch dich gelebt hat – das ist entsetzlich. Oder über ein armseliges, schwachsinniges Wesen zu spotten, das von allen unterdrückt wird und auf der ganzen Welt nur an dich allein geglaubt hat. Vertrauen oder Liebe zu schmähen – das ist wohl schlimmer als Mord, obwohl es vom Gesetz nicht bestraft wird. Das heißt doch, seine unsterbliche Seele zugrunde zu richten. Wie denken Sie darüber?«
Felix Stanislawowitsch runzelte die Stirn und antwortete umständlich:
»Nun, bei Verführung Minderjähriger sieht das Gesetz Zwangsarbeit vor, aber was die übrigen Arten alltäglichen Verrats betrifft – natürlich nur, soweit es sich nicht um finanzielle Betrügereien handelt – , ist die Lage komplizierter. Viele Menschen, insbesondere Männer, halten Ehebruch überhaupt nicht für, eine Sünde. Aber auch bei unserem Geschlecht gibt es Ausnahmen.« Er wurde lebhaft, weil er sich bei der Gelegenheit an eine pikante Geschichte erinnerte. »Ich hatte einen Kommilitonen, einen gewissen Bulkin. Er war der tugendhafteste Ehemann, hatte einen Narren gefressen an seiner Ehefrau. Wir alle besuchten nach dem Unterricht gelegentlich ein Freudenhaus auf der Ligowka, aber er ging unbeirrt nach Hause, ein richtiger Sonderling. Nach dem Examen wurde er zum Baltischen Geschwader abkommandiert, und zwar zur Spezialeinheit.« Der Oberst stockte erschrocken, weil er sich verraten hatte, und warf einen besorgten Blick auf seinen Gesprächspartner. Seine Sorge war umsonst – der Blonde schaute noch immer arglos, interessiert und friedlich drein. »Nun ja, also Folgendes. Er ging mit dem Geschwader auf Fahrt, manchmal sehr lange, mehrere Monate. Die Offiziere stürzten in jedem Hafen sofort zum Bordell, aber Bulkin blieb in der Kajüte und bedeckte das Medaillon mit dem Antlitz seiner Frau mit Küssen. Etwa ein Jahr lang war er so unterwegs und quälte sich, bis er einen ausgezeichneten Kompromiss fand.«
»So?«, freute sich der Blonde. »Ich hätte gedacht, da könnte es keinen Kompromiss geben.«
»Bulkin war ein heller Kopf! Bei analytischen Aufgaben war er immer der Klassenbeste!« Felix Stanislawowitsch schüttelte begeistert den Kopf. »Was der sich ausgedacht hat! Von einem Maskenbildner ließ er eine Maske aus Pappmaschee anfertigen, das genaue Abbild des Gesichts seiner angebeteten Gattin, und sogar eine goldgelbe Perücke klebte er obendrauf. Von dem Tag an stürmte Bulkin immer als Erster in die Lasterhöhlen. Er griff sich irgendeine – pardon – Schickse, die hässlicher als die anderen und deshalb natürlich billiger war, setzte ihr die Maske seiner Frau auf, und hinterher war sein Gewissen völlig rein. Er sagte: Vielleicht bin ich mit
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