Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
sanft finden, sogar den Hengst. Er wurde fast als Mitglied der Familie aufgezogen. Sein Name ist Heng, die Stute heißt Loo.«
Die Zeit verging langsam im Shumai-Lager. Erst am nächsten Abend waren Jestak und Tia allein. Vor der Hütte, die man für sie aufgestellt hatte, konnten sie hören, wie die alten Leute das Sternenspiel spielten. »Da«, sagte Tia. »Hör dir Ivot an! Er ist so glücklich jetzt, wo er wieder frei ist. Oh, Jes, wir verdanken dir alle soviel.«
Schließlich ging das Spiel zu Ende, und das Lager versank in Schlaf. Die beiden konnten in der Ferne die Präriewölfe hören und weit unten am Bach das kurze heisere Bellen eines Fuchses. Einmal meldete sich ein nörgelnder Vogel, der aus dem Schlaf aufgeschreckt worden war. Beim Wachwechsel zur Drei-viertelnacht hörten sie, wie sich die neuen Männer leise regten und die abgelösten beinahe lautlos zu-rückkamen. Die Morgensonne stieg mit einer Fülle herauf, die sie in sich selbst verspürten. Es war ein Augenblick, der wie eine Feder auf der Spitze eines Messers zu zittern schien. Jestak wußte, daß er nicht bleiben würde, aber er wollte ihn so genau sehen, daß er ihm immer deutlich vor Augen sein würde.
Sie verbrachten den Tag mit Vorbereitungen für den Aufbruch. Stantu wollte mit ihnen kommen, auch Reor und einige andere. Sogar Reor bekam feuchte Augen, als er auf Olors Grab auf dem Berg oberhalb des Baches blickte. Das Leben würde nicht mehr das gleiche sein. Etwas von der späten Knabenzeit war ihm genommen worden. Er würde sich nach einer Frau umsehen und selbst eine Familie gründen müssen.
Gegen Abend lenkte ein Hornstoß der westlichen Wache die Aufmerksamkeit auf einen Trupp von Emeri-Reitern, die sich näherten. Sie trugen ihre Langschwerter, hatten aber keine Bogen dabei. Eine Menschenmenge sah ihnen vom Hügel aus entgegen, die Männer waren bewaffnet und nervös. Aber schließlich sagte Tia: »Schau, es ist Escripti. Sie wollen mit uns reden.«
Die Reiter lagerten eine Viertelmeile westlich des Baches, schwer bewacht von den Shumai am Bachufer. Sie waren unruhig und ließen, wie verlangt, die ganze Nacht das Feuer brennen. Escripti verbrachte den Abend mitten in Ottans Lager und verhandelte nervös, umringt von den blonden Leuten mit ihren Messern und Speeren, angestarrt von Kindern, be-schnüffelt von Hunden, belästigt von Gerüchen, aber wie man es von ihm erwartete, verbeugte er sich, blieb höflich und ließ nicht im mindestens erkennen, was er empfand, aber natürlich spürten die Shumai seine Gefühle deutlich und glucksten leise vor sich hin. Schließlich kehrte Escripti zum Schlafen ins Emeri-Lager zurück. Der Tenoran hatte ihm auf dem Boden ein Bett bereitet.
»Wie sieht es aus?« fragte er.
»Oh, Gemigani. Ich werde mich nie daran gewöhnen, auf dem Boden zu schlafen. In diesen vergangenen zwei Wochen habe ich es öfter tun müssen als in den letzten vierzig Jahren. Es sieht nicht schlecht aus.
Sie sind erstaunlich umgänglich. Morgen früh muß ich zurück. Die früheren Sklaven sind da, und sie sind am feindseligsten. Aber ich verstehe, warum, nachdem ich sie gesehen habe. Man muß sie zum Teil fürchterlich mißhandelt haben. Das habe ich nicht gewußt. Ich habe sie auf den Farmen nie gesehen. Es wäre nicht so leicht für mich gewesen, mir vorzustel-len, daß so etwas auch zu unserer Gesellschaft ge-hörte.«
»Ja, ich weiß«, sagte Gemigani. »Ich habe sie gesehen. Oft. Zu oft.«
Am nächsten Morgen kehrte Escripti ins Lager zu-rück, und die Gespräche wurden fortgesetzt. Man ei-nigte sich darauf, daß die Grenze der Ebenen auch die Grenze zwischen den beiden Völkern sein sollte.
Die Shumai sollten nicht plündern. Ottan brachte zum Ausdruck, daß er nicht für alle Shumai sprechen könne, aber er wolle versuchen, es weiterzusagen, und hoffe, daß die anderen einverstanden sein würden. Die Emeri würden keine Sklaven mehr jagen.
Auf Jestaks Vorschlag hin sollte im Frühjahr, wenn die Shumai zurückgekehrt waren, an der Grenze eine Friedenswoche stattfinden um zu sehen, ob die beiden Gesellschaften irgend etwas zu tauschen hatten.
Engal sollte als Astronom den Winter über mit der Gruppe nach Emerta gehen. Er war froh darüber. Das anstrengende Leben auf den freien Ebenen fiel ihm allmählich schwer. Gegen Mittag hatte Jestak eine lange Notiz für Prestiginagi fertig, die das alte Schulzimmer betraf, die gab er Escripti und zeigte ihm die Sachen, die er von da mitgenommen hatte. Noch verriet er
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