Pelbar 2 Die Enden des Kreises
wieder verletzt?« fragte sie mit dünner Stimme, in der ein spöttischer Unterton mit-schwang.
Er konnte nicht einmal sein Abbalgmesser finden.
Es mußte ihm in den Schnee gefallen sein. »Hexe, Schlammbatzen, Pelbardreckstück, Eulenauge, Schlangenbauch«, begann er, aber er taumelte, und sie schlug ihm ins Gesicht und warf ihn damit auf die Knie. Als er aufblickte, sah er verschwommen, daß sie auf ihrem Kurzbogen einen Pfeil schußbereit liegen hatte. Wie war das möglich? Er sagte nichts mehr.
»Möchtest du sterben? Ich kann dich nicht immer wieder laufen lassen. Früher oder später würdest du mich erwischen. Und ich weiß, daß du mich nicht laufenlassen würdest – oder erst, wenn ich für mich selbst nichts mehr wert wäre.« Assek antwortete nichts.
Ahroe zog die Bogensehne zurück. »Nun, möchtest du sterben?«
Assek blickte mit blutendem Gesicht und einem Ausdruck stillen Hasses zu Ahroe auf, den sie sogar in der Dunkelheit spürte. Er lachte lautlos, ein bitteres, leidenschaftliches Lachen reiner Frustration.
»Ganz wie es dir beliebt. Töte mich, wenn du möchtest!« sagte er ruhig.
Ahroe ließ die Bogensehne erschlaffen, behielt aber den Pfeil auf der Sehne. Die beiden standen sich schweigend gegenüber, während in der Nacht unsichtbar der Schnee fiel, leise in den Ästen und auf der weißen Oberfläche des Waldbodens klirrend. Assek lachte wieder. »Nun?« fragte er. »So, wie du dich verhältst, ergibt es keinen Sinn. Dein Mann läuft dir davon, und du folgst ihm, zum Kampf gerüstet, um ihn zu töten oder zur Rückkehr zu zwingen, und dann hast du zweimal die Gelegenheit dazu und tö-
test mich nicht. Ihr Pelbar seht die Menschen gerne leiden. Ich habe es in deinen Augen gesehen, am Tor in Pelbarigan. Ich wußte, daß du ihm folgen würdest.
Richtig? Ahroe, eine Dahmen aus der Tyrannenfami-lie. Ich habe diesen Winter von ihnen gehört, diesen erbarmungslosen Menschenzerstörern.«
»Und was hast du hier zu suchen? Willst du meinen Mann rächen? Nein. Du bist ein ganz gewöhnlicher Frauenschänder. Glaube nur ja nicht, daß du etwas anderes bist, etwas Wertvolles. Shumaigesindel und Pöbel. Du bist eine Schande. Warum erträgt dich Hagen?«
»Hagen? Du kennst Hagen? Er erträgt mich nicht.
Wir sind Kameraden. Ich kenne ihn schon immer.
Wir ...«
»Warum ist dann Hagen nicht hier bei dir? Ihn kennen wir als Mann von Ehre.« Assek machte einen Schritt auf Ahroe zu, aber als er das tat, trat sie ihm die Beine unter dem Leib weg, riß ihm die Arme nach hinten und schlang ein Seilende darum. Zuerst schlug er um sich, dann stieß er einen Schrei aus und lag still. Sie hatte bei dem, was sie tat, offensichtlich Übung, und der scharfe Schmerz in seiner Seite sagte ihm, daß er sich beim Sturz wohl eine Rippe gebrochen hatte. Sie stellte ihn auf die Beine, und er beschimpfte sie dabei. Dann schob sie ihn gegen den Baum und band ihn daran fest. Schließlich hob sie ihren Bogen auf, wischte ihn und den Pfeil sorgfältig ab und packte beides weg. Nun kletterte sie wieder auf den Baum, brachte ihr ganzes Gepäck herunter und verpackte es. Assek beobachtete sie schweigend, mit gesenktem Kopf.
Ahroe trat zu ihm und zog seinen Kopf an den Haaren hoch. Sie sah ihn im schwachen Schneelicht an. Das Blut auf der Wange wurde allmählich trok-ken. Sie nahm Schnee und säuberte sanft und gründlich sein Gesicht. Dann fand sie seinen Hut und setzte ihn ihm auf. Er sagte immer noch nichts. Sie suchte eine Zeitlang im Dämmerlicht im Schnee und fand schließlich sein Messer. Das steckte sie in ihren Rucksack. Schließlich kam sie zu ihm zurück und sagte: »Ich brauche dieses Seil. Ich muß dich wohl wieder laufen lassen. Aber ich verspreche dir, wenn du mir noch einmal folgst, muß ich dich töten.«
»Ich werde dir folgen. Warum tötest du mich nicht gleich?«
Sie packte seinen Kopf mit beiden Händen, riß ihn an den Haaren und schrie ihn an: »Warum, warum, warum tust du das? Laß uns in Frieden! Wir haben dir doch nichts getan.« Sie ließ die Hände sinken, und Assek lachte wieder lautlos. Ahroe schlug ihn wü-
tend mit einer Hand und dann mit der anderen ins Gesicht, dann ließ sie die Hände sinken.
»Es tut mir leid«, sagte sie. »Das hätte ich nicht tun sollen. Siehst du nicht, daß ich schon genug Schwierigkeiten habe? Mein ganzes Leben ist in Fetzen gerissen, und jetzt verfolgst du mich noch wie ein Tanwolf und versuchst, mich zu vernichten.«
»Warum nimmst du dann nicht mich? Ich
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