Pelbar 2 Die Enden des Kreises
wirklich ein Jammer.
Sie hielt den Atem an, als sie die Brücke auf das dunkle Eis hinausschob. Risse liefen hindurch, mit scharfen, plötzlichen Geräuschen, aber sie schob sich schnell hinüber und grub, um sich vorwärtszustoßen, immer wieder ihr kleines Messer ins Eis. Es glückte.
Aber was sollte sie jetzt tun, nachdem sie auf der Westseite war? Nachts konnte sie nicht nach Spuren suchen. Wenn Stel sich nach Westen gewandt hatte, würde sie seine Spur übersehen. Nein. Da, in der leichten Schneedecke waren Fußabdrücke. Dann verlor sie sie auf dem glatten Eis wieder. Sie bewegte sich langsam, spürte allmählich, wie überanstrengt und müde sie war.
Aber sie wußte nicht, was sie sonst tun sollte, also ging sie weiter nach Süden, ohne Spuren zu finden.
Gegen Morgen schien die Nacht noch dunkler zu werden. Schließlich blieb sie völlig verdattert stehen, als ein Geräusch von hinten sie veranlaßte, mit der Reaktion des Gardisten in einer einzigen, schnellen Bewegung herumzuwirbeln und ihr Kurzschwert zu ziehen. Da auf dem Eis stand eine Gestalt.
»Bleib stehen!« sagte sie gelassen. »Stel?«
»Nein, mein Schätzchen. Ich bin Assek.«
»Der Shumai. Was willst du?«
»Dir helfen. Warum folgst du ihm? Ich kann dir alles sein, was er jemals war. Und noch mehr.«
Ahroes Kurzbogen war auf ihren Rucksack geschnallt. Zorn über ihre Unvorsichtigkeit stieg in ihr auf. Aber sie hatte immer noch das Kurzschwert und jahrelange Übung damit.
»Verschwinde! Ich brauche keine Hilfe. Am wenigstens von dir. Bleib weg! Sobald du mir zu nahe kommst, töte ich dich.«
»Wir haben Frieden, hast du das vergessen? Ist das die Begrüßung bei den Pelbar? Ihr, das friedliche Volk?«
»Ich brauche nichts von dir, will nichts und bestehe darauf, daß du gehst«, sagte sie, selbst überrascht, wie flach und gespannt ihre Stimme klang.
»Nun, seine Spur hast du schon verfehlt. Er ist mehr als einen Ayas weiter hinten in einen Bach ein-gebogen. Ist das kein Beweis für meine Hilfe?«
»Woher soll ich das wissen? Morgen früh hätte ich es ohnehin gemerkt. Geh jetzt!«
»Glaubst du, dieser Stecken, den du da in der Hand hast, könnte mich aufhalten, wenn ich ihn dir weg-nehmen wollte?«
»So nimm ihn doch!«
Assek lachte und tat, als zucke er die Achseln, machte dabei aber einen Ausfall nach ihrem Handgelenk. Ahroes schneller Streich mit ihrem Kurzschwert erwischte ihn am Unterarm und schnitt durch seinen dicken Lederärmel ins Fleisch. »Ahhh«, murmelte er, trabte zurück, bis er außer Reichweite war, kniete sich dann aufs Eis und hielt seinen Arm.
»Zum Teufel mit dir, du Pelbarhure«, sagte er und erwartete eine defensive Reaktion von ihr, aber als er sich hinkniete, war sie nähergekommen und hatte sich hinter ihn gestellt, nun packte sie seinen Zopf und hielt ihm das Schwert an den Hals.
»Nun«, sagte sie. »Wirst du jetzt gehen?«
Assek war gereizt und verwirrt, aber er hatte keine Wahl. »Ja, du fischbäuchiges, nutzloses Stück Flußk...« Er hielt inne und keuchte, als sie ihm den Kopf herumdrehte, sein Gesicht aufs Eis drosch und ihm das Knie in den Rücken rammte, dabei seinen Gürtel durchschnitt, sein Kurzmesser herausnahm und es zur Seite warf.
»Noch einmal«, sagte sie ihm in den Nacken hinein. »Wirst du gehen?«
Assek spürte, wie die Schwertspitze langsam ein-drang. In seine Wut mischte sich Angst. »Ja«, keuchte er schließlich. Ahroe trat zurück und stand auf, das Kurzschwert vor sich.
»Mach in Pelbarigan halt, dort wird man dir den Arm verbinden«, sagte sie.
»Das war doch kaum ein Kratzer, du Batzen Schlamm«, sagte er. Aber er hielt den Arm mit der anderen Hand fest, und zwischen seinen Fingern quoll Blut heraus.
»Trotzdem, mach dort halt. Und jetzt geh!«
»Ich gehe schon, du Stück Scheißdreck. Und du hältst dich jetzt weiter nach Süden, damit du deinen Kindmann auch fängst.« Assek stieß ein bitteres Lachen aus und ging auf dem Fluß langsam nach Norden. Ahroe bewegte sich nicht, sondern sah ihm nach, mit gezücktem Schwert, bis er in der Dunkelheit verschwunden war. Dann schob sie das Schwert in die Scheide, setzte sich auf das Eis und weinte, zitternd vor soviel Elend, wie sie es, soweit sie sich erinnern konnte, noch nie empfunden hatte.
Wenn nur Stel hier wäre. Selbst seine dumme, männliche Gegenwart hätte den Shumai daran ge-hindert, sie anzugreifen. Sie spürte Asseks schnelles, männliches Drängen immer noch, gefühllos wie ein Vieh, abstoßend, anders als
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