Pelbar 2 Die Enden des Kreises
hinter dem Rücken zusammen, jeden Finger einzeln, und legte die Fesselung so an, daß Rabe die Riemen nicht an einem Stein durch-scheuern konnte. Sie lag äußerst unbequem, war wütend und schwieg. Ahroe summte leise eine Pel-barhymne vor sich hin, während sie arbeitete.
»Nun, das wird ...«, begann Ahroe, aber sobald sie zu reden anfing, schrie Rabe, und jedesmal, wenn Ahroe wieder etwas sagen wollte, schrie sie wieder, um nichts zu hören. Ahroe zog einen von Rabes weichsohligen Schuhen von ihrem Fuß, zwängte ihn ihr als Knebel in den Mund und band ihn fest. Dann setzte sie sich und tippte ihr auf die Schulter. »Du bist sehr ungezogen«, sagte sie. Rabe schlug um sich, versuchte ein Ohr gegen den Boden zu drücken, und das andere gegen ihre Schulter, um nicht zu hören. Ahroe drehte sie herum und setzte sich auf sie.
»Nun denn, Rabe. Du wirst mit einem Schuh nach Hause gehen müssen. Geh besser auf dem kürzesten Weg. Ohne Hilfe kannst du dich nicht befreien. Bis dahin bin ich fort, und du wirst dich damit abfinden müssen. Ich wünsche dir nichts Böses. Ihr tut mir alle leid. Wenn es dir gelingt, mir zu folgen, muß ich dich töten. Du bist ein weiblicher Assek. Weißt du, wer das war? Ein Mann, der versuchte, mir Gewalt anzutun. Ich mußte ihn um meiner selbst willen töten.
Dich werde ich um Garets willen töten, wenn ich nicht anders kann. Verstehst du mich?«
Rabe reagierte nicht, bis Ahroe ihr den Schuh aus dem Mund nahm und ihn in den Bach schleuderte.
Dann sagte Rabe keuchend: »Du würdest das einer anderen Frau wirklich antun.«
»Hast du nicht versucht, mich zu töten?«
»Das ist etwas anderes. Nur, wenn du diese Miß-
geburt verteidigt hättest.«
»Anders?«
»Merke dir eines! Irgendwie werde ich dir folgen.
Ich werde dich von diesem Tier befreien, ob es dir nun paßt oder nicht.«
Ahroe seufzte. »Du bist mir nicht gewachsen, Rabe.
Ich bin für so etwas ausgebildet. Aber du kannst es gerne versuchen, wenn du Lust dazu hast.« Sie klopfte der jungen Jahv auf die Schulter, dann packte sie ihre Sachen zusammen und ging mit Garet auf den Schultern das felsige Flußufer entlang.
Sie war erleichtert, aber wachsam. Müde war sie auch, nicht nur von der Flucht vor den Jahv, sondern von der ganzen Reise. Allmählich kam sie ihr endlos vor. Das Land war so riesig, so trocken, so leer. Es hatte Stel verschluckt, ihn aufgesogen. Einen Augenblick lang wünschte sie, sie hätte sich nie auf diese Suche begeben, aber als sie zurückdachte, schien sie unvermeidlich. Es war doch sonderbar. Der Stolz der Dahmens und das Gefühl, gerechtfertigt zu sein, waren verblaßt. Wie viele Schwierigkeiten hatten ihr diese Dahmens doch gemacht. Wäre ihre Familie so flexibel gewesen wie alle anderen, Stel und sie wären nie von zu Hause fortgegangen, hätten nie soviel Hunger, Kälte, Reisen, Gefahr, Herumschleichen und Sichverstecken auf sich genommen. Sie müßte sich nicht jeden Tag fragen, ob sie etwas zu essen finden würde, brauchte nicht auf die Gesundheit eines Babies zu achten, dessen Ernährung nicht gesichert und dessen Umgebung wild und unberechenbar war.
Als sie weiter nach Westen zog, erschien ihr das Land flacher und trockener – Sonne und Büschel von Wüstenpflanzen. Sollte sie zu den Shumai zurückgehen, so weit sie auch weg waren? Wo war Stel? Wür-de ihr Leben am zerklüfteten Rand des Nirgendwo erlöschen? Hoch über sich sah sie zwei Geier, die sich von den aufsteigenden Luftströmen höhertragen lie-
ßen. Bestimmt sahen sie sie. In ihren dummen kleinen Gehirnen war sie nichts als eine mögliche Nahrungs-quelle. Nein, das war sie nicht, würde sie nicht sein.
Wo Disziplin war, konnte man dem Tod trotzen.
Aber alles war so schrecklich geworden.
SECHZEHN
Stel hatte eine ähnliche Veränderung der Landschaft im Norden erlebt, wo der Bach, dem er folgte, nach Westen hinabstürzte und sich mit einem größeren vereinigte, der nach Süden floß. Stel baute sich ein grobes Floß zusammen, um sich den größeren Fluß hinuntertreiben zu lassen, fand aber bald heraus, daß es auch hier Stromschnellen gab. Als er ans Ufer watete und zusah, wie sein Floß weiter unten zerschellte, wußte er, daß er zu Fuß würde gehen müssen. Dieser Fluß bewegte sich immer mehr durch Felsschluchten, manche kaum höher als die Klippen zu Hause, manche viel höher. Statt des grauweißen Kalksteins am Heart war hier rötlicher Fels, zu höckrigen, runden Vorgebirgen verwittert, mit langen, zerklüfteten
Weitere Kostenlose Bücher