Pelbar 2 Die Enden des Kreises
junge Frau sorgfältig an und nahm ihre Ähnlichkeit mit Ahroe in sich auf. Aber sie war anders. Ziemlich klein war sie und ein bißchen hager, weil sie nicht auf sich achtete, aber ihr dunkles Haar, das offen über ihre Schultern hing, war sauber und glänzend, die Nase war fein modelliert und am Ende etwas eckig. Sie hatte große, leuchtende Augen und einen vollen, wohlgeformten Mund. Ihre Backen waren ein wenig rundlich, aber die Wangenknochen erhoben sich hoch darüber, standen jedoch eigentlich nicht vor. Wenn sie lächelte, warf sie fast immer den Kopf, aber ein Hauch von Melancholie umgab sie. Ihre Schultern waren nicht breit, und sie hätte wahrscheinlich eine füllige Figur gehabt, wenn sie gut gegessen hätte. Ihre kleinen, starken Hände huschten flink herum, mit feinen Fingern, aber sie waren übersät mit Schnittwunden und Abschürfungen. Sie hatte kräftige Beine mit schmalen Knöcheln und schönen, hochgewölbten Füßen. Stel dachte, sie sollte nicht alleine hier draußen sein. Sie war ein Mensch, der in einer Gesellschaft leben und behütet werden sollte. Sie war keine Catal.
Endlich sagte sie: »Du darfst mich nicht ständig anschauen, das macht mir Angst.«
»Es tut mir leid. Du siehst aus wie Ahroe, meine Frau, die ich seit weit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen habe. Das löst alle möglichen Gefühle aus.«
»Ich hoffe, du wirst sie beherrschen.«
»Natürlich. Sie ist immer noch meine Frau. Und wie ich schon sagte, kann ich sehr gut ungefährlich sein.«
»Ich verstehe nicht. Warum bist du hier?«
Stel erzählte ihr kurzgefaßt die Geschichte seiner Verbannung und seiner Reise nach Westen. Während er sprach, starrte sie ihn immer nachdenklicher an.
»Du mußt zum Zentrum des Wissens gehen und denen das alles erzählen – wenn es wahr ist. Ist es das auch bestimmt? Hast du nichts dazugemacht?«
»Nein. Es ist so wahr, wie ich es wiedergeben kann.
Was ist das Zentrum des Wissens?«
»Es liegt im Westen – eine große Schlucht mit überhängenden Wänden, in der die Pendler alle In-formationen über die Geschichte gesammelt haben, die sie bekommen konnten, über die Zeit des Feuers, die kleinen Gruppen wandernder Menschen, die überlebten. Soviel wie möglich ist in den Fels gehauen.«
»In den Fels gehauen? Warum hat man es nicht einfach niedergeschrieben? Auf Papier?«
»Papier? Von Papier habe ich schon gehört. Was ist das? Es ist wie Blätter, nicht wahr? Wir haben nie herausgefunden, wie man es macht.«
»Ich werde es euch zeigen. Hier.« Stel kramte in seinem Rucksack und förderte die kleine Sammlung der Worte Avens zutage. Er reichte sie Elseth.
Sie nahm sie und blätterte langsam die Seiten um.
»Das ist schwer zu lesen. Aber ich kann es verstehen.
Das ist also Papier?«
»Ja, es ist ...« Aber Elseth hob die Hand und war bald in das kleine Buch vertieft, so völlig versunken, daß sie den Sonnenuntergang mit seinen wilden, orangefarbenen Zirruswolken nicht bemerkte. Kurz darauf ging der Mond auf. Stel schürte einfach das Feuer, während sie sich daneben ausstreckte, ohne außer dem kleinen Buch etwas wahrzunehmen. Ihre Augen flitzten über die Seiten, wanderten zurück.
Leichte Stirnfalten bildeten sich und verschwanden wieder. Stel beobachtete sie fasziniert, dann wusch er den Topf vom Abendessen und schrubbte ihn am Fluß mit Sand. Als er zurückkehrte und sich setzte, fuhr Elseth plötzlich mit einem Ruck hoch und sah, daß es dunkel war.
»Ist es schon Nacht? Du darfst nicht hier sein.
Nimm meinen Stamm und überquere den Fluß. Morgen darfst du wiederkommen.« Sie gab ihm das kleine Buch zurück. »Das ist alles sehr verwirrend. Es sind Dinge, die sonderbarer sind als Träume.« Sie seufzte und blickte zu ihrer Bildhauerarbeit hinüber.
»Ich weiß nicht, ob du sie mir verdorben hast oder nicht.«
»Verdorben? Ich?«
»Du hast die Welt verändert.«
»Nein. Du stellst die Welt dar, die ich kenne. Gute Nacht, Elseth. Morgen komme ich wieder.«
Als Stel mit dem Stamm und der Stange, die er am Ufer fand, den Fluß überquerte, waren seine Gefühle zu komplex, als daß er sie hätte ergründen können.
Eine seltsame Traurigkeit überkam ihn, während er sich zwischen den Felsen einen Platz zum Schlafen suchte. Er entrollte seinen Schlafsack und schlüpfte hinein, aber einen großen Teil der Nacht beobachtete er einfach den Mond dabei, wie er langsam durch die klare Schwärze der Wüstennacht zog.
Er wußte, daß er vom Alleinsein genug
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