Pelbar 3 Die Kuppel im Walde
mußte sie den Alterungsprozeß erforschen und eine Möglichkeit finden, ihn aufzuhalten. Das war bestimmt auch in den Genen enthalten. Bestimmt konnte sie sich erneuern. Sie mußten die Systeme außerhalb des Mutterleibs wiederentdecken für das Leben draußen und sie fortführen. In der Vergangenheit hatten sie gut funktioniert.
Aber sie wußte, daß das Wahnsinn, Eitelkeit war.
Nein. Sie konnte nicht jede Zelle in ihrem Körper ver-
ändern. Auch sie würde altern, und die makellose Blüte der Menschheit würde entweder ihre Blütenblätter abwerfen, oder sie an eine andere, makellose Blüte weitergeben. Was für eine Tragödie. Wie konnte sie es ertragen, ihr eigenes Kind erwachsen und schön zu sehen, wie es sich über die Erde bewegte, während sie selbst verblaßte? Nun, das war der Lauf der Dinge, oder es waren jedenfalls die menschlichen Koordinaten, innerhalb derer sie arbeiten mußte. Es gab eine Logik, aber die war evolu-tionär, nicht dafür gedacht, Einzelwesen zufriedenzu-stellen. Ein Makel im System, fand Eolyn.
Aber wenn sie die Kuppel verließen, falls das ge-schah, wer würde der Vater sein, wenn sie Mutter werden mußte? Konnte sie etwas aus dem Samende-pot verwenden, damit sie keinen Vater brauchte?
Nein. Sie schauderte. Irgendein Mann mußte beteiligt sein. Andererseits war das vielleicht gar nicht so schlecht. Sie war von den Magazinen angesteckt worden. Das Leben der Alten, wie es von ›The New Yorker‹, von ›Vogue‹ dargestellt wurde – wie befrie-digend mußte es gewesen sein, all diese Gaben sich selbst zu schenken, die Reichtümer der Erde, und zu wissen, daß es reine Eitelkeit und kindisch war, aber trotzdem ohne ein anderes Motiv zu haben, kein humanitäres Ideal, und daher der Sinneslust zu frönen.
Es war eine Möglichkeit, zu werden, was man nicht war, den Genuß der Phantasie auszukosten, der dadurch entstand, daß man sich selbst, seinen erbärmli-chen Körper mit Dingen umgab, empfohlenen Dingen, die schwer zu erlangen und anderen verwehrt waren. Es war, als streichele man sich selbst, um sich zufrieden schnurren zu hören.
Und Dexter? Ja, er war der einzig mögliche Partner.
Auch er war ein ausgezeichnetes Exemplar – ein wenig kalt vielleicht, aber symmetrisch und mit genü-
gend Distanz, um nicht rührselig zu werden. Sie konnten eine neue Generation hervorbringen, jetzt, wo Butto so offensichtlich versagt hatte. Dexter. Susan hatte gezeigt, wie die Männer zu ihr hindrängten.
Dexter natürlich nicht – noch nicht. Aber sie war ein Magnet – trotz der Dämpfungsmittel. Sie lächelte vor sich hin.
In diesem Augenblick hatten Dexter und Ruthan in seinem Zimmer einen Kode eingegeben, der verhinderte, daß jemand eintrat. Sie wirkte müde und erschöpft, verwirrt und ängstlich.
»Ich weiß nicht, Dex. Irgendwie ist es nicht richtig, oder? Du hast keine Loyalitätsbindung zu mir.«
»Doch, Ruthy. Und unsere Liebe wird ein weiteres Band für uns sein. Welche Bindung könnte es denn geben? In alten Zeiten war das die einzige, die wirklich funktionierte. Die alte Zeremonie der Heirat? Wir sind alles, was auf einem öden, verwüsteten Planeten noch übrig ist, und seine einzige Hoffnung auf Rege-neration. Das allein ist doch schon eine Heirat, nicht wahr?«
»Oh, Dex, ich bin nicht sicher. Es ist so geheim.
Royal wäre nicht einverstanden.«
»Royal? Das glaube ich auch nicht. Komm, Ruthy!
Ich weiß, daß du mich liebst.« Er nahm sie in die Ar-me und küßte ihr Gesicht, systematisch, ohne eine Stelle auszulassen. Sie entspannte sich allmählich, und er drehte sie flink um, legte sie mit dem Rücken auf sein Schlafpolster und rückte zu ihr heran. Das Lichtfeld schwächte sich ab, und die Lichtmuster auf dem Bildschirm, die die Lage in der Nagerabteilung anzeigten, standen still, bewegten sich dann und bildeten, unbeachtet, eine neue Position. Im linken Quadranten wurde eine Geburt registriert – fünf neue Rattenleben begannen, winzige Herzen tickten, winzige Mäuler öffneten und schlossen sich wie pulsie-rende Polypen. Der Lichtpunkt, der die Mutter dar-stellte, wandte sich gleichgültig ab. Die Aufzeichnung eines kleinen Herzens kam zum Stillstand. Die anderen wurden weiterhin sicher und lückenlos in diesem Abschnitt des Bildschirms überwacht.
Nach einiger Zeit seufzte Ruthan, die Arme immer noch um Dexter gelegt, und schloß fest die Augen, in ihren Augenwinkeln standen Tränen. Dexter grinste zu ihr hinunter. Dann streckte er die Hand aus und
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