Pelbar 3 Die Kuppel im Walde
mußt einsehen, daß das eine im Verschwinden begriffene Lebensweise ist. Selbst jetzt sammeln sich die Shumai schon als Farmer und Hirten um Nordwall. Ich höre, daß sie auch entlang des Isso-Flusses Farmen errichten.«
»Aber Protektorin, ein guter Axtschwinger, das ist etwas, was du nicht verstehst. Und Tor ist der beste.
Die Shumai – wir tun uns nicht in Städten zusammen wie ihr. Wir sind frei. Aber Tor kann sie organisieren.
Sie sind wild und rastlos, aber er hält Disziplin. Er hat so eine Art, Dinge zu wissen, und das spüren sie.«
»Was zu wissen?«
»Das ist schwer zu sagen. Er scheint zu wissen, wo die Rinder sind, wo Gefahr besteht, wie man in den westlichen Ebenen im Sommer Wasser findet. Er weiß es, wenn einer seiner Männer wütend ist oder wann ich so einsam bin, daß er seinen Arm um mich legen muß; und wenn er es tut, verschwindet die Einsamkeit. Ich kann nicht sagen, wie er das weiß. Er weiß es einfach.«
»Ich verstehe. Kannst du das auch?«
»Nein. Überhaupt nicht. Ich tauge allgemein nicht viel.« Das sagte Tristal so offen, daß die Bemerkung zur Feststellung einer Tatsache wurde, ohne Bedauern und Klage. Die Protektorin legte die Fingerspit-zen aneinander.
»Du könntest jetzt etwas für mich tun, wozu niemand sonst in der Lage ist.«
»Ich werde es tun, aber ich bin absolut nicht sicher, daß ich es richtig machen werde.«
»Weißt du, wo Nordwall ist?«
»Natürlich. Den Heart aufwärts.«
»Könntest du eine Botschaft von mir zu Jestak bringen? Niemand darf es erfahren. Ich möchte die normalen Kanäle nicht benützen. Du wirst einige Zeit dazu brauchen.«
»Natürlich. Ich breche sofort auf, wenn du willst.«
»Morgen früh wird reichen. Aber du darfst nicht einmal jemandem sagen, wohin du gehst. Du mußt zuerst in eine andere Richtung gehen. Hier ist zuviel Opposition gegen Celeste und die Kuppel.«
»Tor wird es wissen.«
»Tor wird ... Ja, natürlich. Ich werde es ihm sagen.«
Tristal stand auf. Dann meinte er: »Ach ja. Da war noch etwas.«
»Ja. Setz dich! Ich mache mir deinetwegen Sorgen.
Du siehst Celeste so an, wie Jungen eben Mädchen ansehen, aber auch fast so, wie man Aven – oder Sertine – ansehen würde, wenn du sie sehen könntest.
Bist du dir bewußt, daß Celeste für dich, für uns eine mögliche Gefahr darstellt?«
»Natürlich. Hinter ihren Worten stehen Kenntnisse, die alles verändern werden. Wir wissen aber nicht, wie die Veränderung aussehen wird.«
Die Jestana riß den Kopf hoch und blinzelte ihn ein wenig an. »Das siehst du also ganz klar? Du bist ein intelligenter junger Mann. Warum bist du dann so bis über beide Ohren in sie verliebt? Andererseits bist du doch nur ein Junge, weißt du.«
Tristal sah sie verwirrt und verzweifelt an, dann schüttelte er den Kopf. »Ich weiß es, und ich weiß es auch wieder nicht. Ist das eines von den Dingen, die man erklären kann? Es ist einfach geschehen. Ich glaube, es ist, weil ich fühlen kann, was sie empfindet. Ihre ganze Welt ist einfach ausgelöscht worden, so, wie man eine Lampe ausblasen würde. Ihre Einsamkeit ist schlimmer, als die meine war. Wir liefen, meine Eltern und ich, draußen auf der Langgrasprä-
rie. Das Gras war höher als unsere Köpfe. Das Feuer kam auf einem hohen Wind, und es kam schneller, als wir laufen konnten und schickte Funken vor sich her.
Es gab keine Lücke im Gras und kein Wasser.
Schließlich hatte es uns unverkennbar erreicht. Meine Eltern warfen mich zu Boden, rissen Erdklumpen auf, legten sich auf mich und deckten mich. Ich spürte, wie sie sich wanden, als das Feuer sie erfaßte, aber sie schrien kein einzigesmal, und als das Feuer über uns hinweggerast war, waren sie tot, und ich hatte nicht einmal eine Brandwunde, nur meine Brust war so voller Rauch, daß ich seither immer Schwierigkeiten damit habe.«
Die Protektorin starrte auf den Tisch. Als sie endlich aufblickte, sah sie, daß Tristals Augen mit Tränen gefüllt waren und glänzten. »Noch etwas«, sagte er.
»Sie ist vor etwas in der Kuppel davongelaufen. Ich weiß es. Die Kuppel ist alles, was sie kennt, aber sie hat Angst davor. Und deshalb habe auch ich Angst davor. Noch mehr als sie, weil ich sie nicht kenne.
Protektorin. Ich wußte gar nicht, daß meine Eltern mich so liebten. Sie waren nicht besonders gut zu mir.
Ich wurde aus sehr geringfügigen Anlässen geschlagen, und das ist bei den Shumai selten. Sie haben mich beschimpft und vernachlässigt. Aber als es ans Sterben ging,
Weitere Kostenlose Bücher