Pelbar 3 Die Kuppel im Walde
deutlich, daß sie sich in die Stadt zu-rücksehnten, obwohl sie sich tapfer bemühten, weiterzumachen. Stel schlug ihnen gegenüber einen ge-bieterischen Ton an, weil er sah, daß sie gewohnt waren, Befehle entgegenzunehmen. Sie gehorchten mit zusammengebissenen Zähnen.
Das Problem mit Aybray war entgegengesetzt. Die Freiheit von der Stadt eröffnete ihm eine neue Welt, und er war so überwältigt davon, daß er zum größten Teil das Jagen und Fischen übernahm, das für die Versorgung der Arbeitenden nötig war. Aber oft streifte er einfach durch die Wälder oder zog durch das hohe Präriegras und nahm die Größe und Stille seiner Umgebung in sich auf. »Er hat die Seele eines Shumai«, bemerkte Stel eines Abends zu Dailith.
Trotz alledem machte der Damm den Hügel hinunter langsam Fortschritte. Tristal kam mit Botschaften und Vorräten aus Pelbarigan und blieb drei Tage, um beim Steineschleppen zu helfen. Er wurde schnell erwachsen, sein ganzer Körper schien breiter und härter zu werden. Schon jetzt war er größer als Stel.
Ein neues Selbstvertrauen schien von ihm auszuge-hen, aber auch ein Schatten von Kummer.
Eines Abends erzählte er Stel davon. »Bin ich wirklich so unzivilisiert, wie Celeste anscheinend glaubt?«
fragte er.
»Natürlich nicht. Das darfst du gar nicht beachten.
Sie versteht sehr wenig von Menschen. Am glücklichsten ist sie mit ihrer Mathematik. Was tut sie denn jetzt?«
»Sie arbeitet an einem System von Linsen, mit dem die Pelbar die winzigen Wesen sehen können, von denen sie spricht – diese Mikroorganismen. Sie nennt es ein Mikroskop.«
»Kommt sie voran?«
»Anscheinend. Sie arbeitet stundenlang daran, mit zwei Helfern, die Glas schleifen und polieren. Sie versucht, Möglichkeiten zu finden, diese Wesen zu messen. Das ist offenbar sehr schwierig und sehr wichtig.«
»Nun, es freut mich, daß sie glücklich ist.«
»Stel?«
»Ja?«
»Es ist alles so sonderbar. Ich glaube, ich liebe sie.
Ich möchte bei ihr sein. Was meinst du? Bin ich alt genug, um jemanden zu lieben?«
Stel blinzelte zu ihm auf. »Das ist schwer zu sagen.
Manchmal zieht so etwas vorbei wie Nebel vom Fluß.
Dann wieder ist es fest wie Stein. So war es bei Ahroe und mir, obwohl wir durchaus unsere Schwierigkeiten hatten.« Er kicherte.
»Sie sieht durch mich hindurch, als ob ich gar nicht da wäre. Sogar Raran liebt sie, aber mich bemerkt sie anscheinend gar nicht. Ich bin froh, daß ich hier bin.
Es fällt mir so schwer, es auszuhalten, wenn ich dort bin. Tor schaut sie an, als wäre er Sertine persönlich – aber sogar ihn vergißt sie allmählich vor lauter Glas-schleifen.«
Stel schürte schweigend das Feuer. »Ich kann dir nicht helfen, Tris. Das kann kein Mensch. So etwas ist nie einfach. Es gehört zum Menschsein dazu. Wer kann sagen, was sie bemerkt? Sie ist fremd. Vielleicht ist das nur eine Phase in deinem Leben. Behalte alles in der richtigen Perspektive. Auf lange Sicht mußt du deinem eigenen Ich treu sein und alles andere laufen lassen. Du wirst ertragen müssen, was eben kommt.«
»Hast du das getan?«
Stel lachte. »Ich habe es versucht. Ich habe elend versagt, dann habe ich langsam gelernt. Ich glaube, ich habe es gelernt, obwohl wir alle hin und wieder versagen, und ich oft. Eines habe ich jedoch herausgefunden, du solltest der beste Tristal sein, der du sein kannst, und wenn Celeste dadurch zu dir geführt wird, gut. Wenn nicht, mußt du es ertragen.«
»Ich kann es nicht ertragen. Sie geht mir nicht aus dem Kopf. Nicht einmal hier.«
»Kannst du Tor und das freie Laufen draußen auf den Ebenen aufgeben?«
»Ich glaube, darüber macht sich Tor selbst Sorgen, Stel. Es gibt immer weniger Läuferbanden. Alle werden seßhaft.«
»Ja. Sie finden, daß das Leben so einfacher ist. Aber Tor wird nie seßhaft werden.«
»Er kann es sich nicht vorstellen. Im Augenblick versucht er, Celeste zu entwöhnen. Er glaubt, daß es notwendig ist, immer wieder nach ihr zu sehen.«
»Er wäre ein guter Pelbar geworden. Er ist eine Mutter.«
Dazu machte Tristal ein ärgerliches Gesicht, aber dann sah er, daß Stel es ernst meinte und dachte dar-
über nach. Er erhob sich und klopfte sich ab.
»Noch etwas«, sagte Stel. »Rechne nicht damit, daß es einfach ist. Liebe ist die Hauptquelle der meisten, persönlichen Qualen. Das hast du inzwischen wohl erkannt. Bete. Und versuch, das Beste aus dir zu machen. Sag dir, daß du aus dem Innersten heraus du selbst sein mußt, wenn du anziehen
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