Pelbar 4 Der Fall der Muschel
aber es tut mir auch diesmal sehr leid. Ich bedaure ...«
Prope ließ ihren Stock mit einem heftigen Schlag auf seinen gebeugten Rücken niedersausen. »Schon wieder!« kreischte sie schrill. »Und schon wieder und schon wieder und schon wieder.« Bei jedem Wort schlug sie ihn, dann wurde ihr von der Anstrengung ein wenig schwindlig, und sie hielt sich schwer atmend am Türrahmen fest.
»Alles in Ordnung, Turana?«
»Geh! Geh sofort! Wenn ich weg bin, kannst du zu-rückkommen und das wegputzen. Und heb den schmutzigen Tee nicht auf!«
»O nein. Natürlich nicht.« Mall drückte sich an ihr vorbei, sorgfältig darauf bedacht, sie nicht zu berühren, und humpelte auf die äußere Tür zu. Mit zusammengebissenen Zähnen schaute sie ihm nach, dann blies sie die Lampe aus, die er in der Küche hatte brennen lassen und kehrte, auf ihren Stock ge-stützt, ins Wohnzimmer zurück, um auf ihre Sanduhr zu schauen.
SECHS
Zum erstenmal seit einigen Monaten versammelte sich der Volle Rat von Threerivers im Gerichtssaal, wo Bival zum letztenmal mit Warret, ihrem Gatten gesprochen hatte. Das anstehende Problem war Brudoer, der in zwei Tagen, am Ende seines zweiten Strafzyklus in den Zellen, ausgepeitscht werden sollte.
Udge eröffnete die Sitzung, indem sie ihre Position unmißverständlich darlegte. Das hieß, Brudoers öffentliche Auspeitschung sollte fortgesetzt werden, sonst wäre die Entscheidung der Protektorin durch Opposition und durch den unbekannten Terroristen kompromittiert, den man nie gefaßt hatte. Sie schlug jedoch vor, daß diesmal nur Gardisten und Familienoberhäupter anwesend sein und alle Zugänge zu den Terrassen versperrt werden sollten. Am Ende der Bestrafung konnte Brudoer, falls er volle Reue zum Ausdruck brachte, sich der Gemeinschaft wieder anschließen.
In jedem Quadranten dieser konservativsten aller Pelbarstädte hatte Udge eine klare Mehrheit hinter sich. Die verkrampften Gesichter der alten Familienoberhäupter drückten fast allgemein Zustimmung aus. Starres Festhalten am Gesetz war in Threerivers Tradition.
Fast nebenbei bat die Protektorin um die Äußerung gegensätzlicher Meinung, rechnete aber nicht damit.
Unset, die Ardena, erhob sich und wartete, daß man ihr das Wort erteile. Udge starrte sie an, seufzte dann und sagte: »Die Ardena möchte etwas bemerken. Ich dachte, nachdem du dich entschuldigt hattest, würdest du dich dem klaren Willen des Rates nicht mehr widersetzen, Ardena. Aber du hast wohl ein Recht darauf, zu sprechen.«
»Das glaube ich auch, Protektorin, da du ja den Rat einberufen hast und das die eingeführte Verfahrens-weise ist. Wenn du jedoch gegen die Vorschriften handeln willst, werde ich mich nicht auf Craydors Gesetze berufen.«
»Nun, komm zur Sache!«
»Es gibt mehrere Punkte, Protektorin. Erstens finde ich, daß das ursprüngliche Vergehen schon mehr als genug bestraft worden ist. Der Junge hat seinen Bruder verteidigt, der grausam verletzt wurde. Es war sicher eine ernste Sache, was er da getan hat, aber als er das Blut seines Zwillingsbruders sprudeln sah, überlegte er wahrscheinlich nicht. Er reagierte einfach. Er ist nur ein Kind. Ich glaube, die bei den Pelbar übliche Duldsamkeit sollte uns veranlassen, ihm zu vergeben, unter der Bedingung, daß er seiner Reue für seine Tat öffentlich Ausdruck verleiht und Bival um Verzeihung bittet.
Zweitens haben wir gesehen, wie die Männer ihn als Märtyrer betrachten. Wenn wir ihm noch mehr zusetzen, wird dieses Gefühl nur noch erbitterter. Ich spüre ein Rumoren, wie ich es vorher niemals bemerkt habe – ein Rumoren, das fast wie der Anfang eines Aufstandes klingt. Ich hoffe, die Kontrolle kann auch mit anderen Mitteln als mit Gewalt aufrechter-halten werden. Schließlich sind viele von uns verheiratet und möchten in Frieden und Harmonie mit ihren Familien einschließlich der Männer leben. Wir wollen die Männer nicht mit der Tatsache ihrer Min-derwertigkeit reizen. Wir sind von ihnen abhängig, und diejenigen von uns, die glücklich verheiratet sind, möchten sich ihrer Gesellschaft erfreuen. Obwohl es überraschen mag – einige von uns lieben sie sogar.
Drittens, der Terrorist, der den Gardehauptmann getötet hat, wurde nicht gefaßt. Auch wenn man die Bevölkerung bei der Bestrafungsaktion nicht zuläßt, wird ihn das nicht hindern, zu einem anderen Zeitpunkt erneut tätig zu werden, denn Rache ist sicher ein Teil seiner Motivation.
Viertens – nun, ich wünschte, ich könnte das deutlicher
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