Pelbar 4 Der Fall der Muschel
er die Hand wegzog, entstand das Bild im seitlichen Lichteinfall erneut.
Wieder so eine von Craydors Ideen, dachte er.
Allmählich dämmerte es ihm, daß sie ihn ansprechen wollte. Er rollte sich herum und betrachtete die Zel-lenwände. Der größte Teil dessen, was er sah, war offenkundig, aber die Buchstabenreihen waren schlicht rätselhaft und hatten überhaupt keine Bedeutung.
Am nächsten Tag wollte er sie studieren.
Gamwyn fügte sich auf Jaiyans Station schnell in die fremde Gemeinschaft ein. Wie alle anderen hatte er Standardpflichten, aber weil er klein, flink und intelligent war, setzte Jaiyan ihn oft als Gehilfen bei den kein Ende nehmenden Änderungen und Erweiterun-gen seines gigantischen Instrumentes ein.
Die anderen wurden mit der enormen Komplexität spielend fertig. Die Orgel hatte sich des Lebens des Händlers bemächtigt. Mit viel Mühe und Können hatte er das ursprüngliche Instrument, das er ausgegraben hatte, entschlüsselt und sich mit der reinen Freude eines Knaben sein eigenes Exemplar nachge-baut. Er spielte, mit den Siveri am Blasebalg, dreimal am Tag darauf, und in der Zeit dazwischen bastelte er daran herum. Weil die Orgel Lederteile brauchte, hatte er eine Gerberei gebaut, und jetzt kaufte er Häute von den Sentani, nicht nur für seinen eigenen Bedarf, sondern auch für den Handel. Auch in seiner Schreinerwerkstatt beschäftigte er die alten Leute, die langsam arbeiteten und mit ihrem Los zufrieden schienen. Sie betrachteten ihn als Vater. Nach der langen Zeit der Sklaverei nahmen sie alles gelassen hin. Sie konnten jederzeit gehen, aber da das Gebiet der Siveri weit entfernt und die Sklavenfänger der Tusco überall waren, sahen die Alten kaum einen Vorteil in einer Rückkehr nach so vielen Jahren der Gefangenschaft.
Gamwyn gefiel die Ruhe der Siveri, ihre stupide Selbstzufriedenheit machte ihn jedoch nervös. Wirklich schwere Arbeit machte Jaiyan selbst oder Jamin, sein Sohn, ein einfältiger Koloß, der einzige Mensch, dem Misque ehrlich zugetan schien. Sie wachte über ihn, lenkte und schikanierte ihn wie ein Satrap einen Falken oder wie eine Mutter ihr Kind.
Eines Nachmittags, gerade als die ersten Eisbrok-ken im Fluß auftauchten, hörte Gamwyn ein Horn.
Als er aufschaute, sah er drei lange, flache Boote den Fluß heraufkommen.
»Das sind die Tusco«, sagte Misque.
Gamwyn starrte die beladenen Boote an, als sie, von Sklaven gerudert das Ufer erreichten, wo Jaiyan sie, beide Hände erhoben, begrüßte. Die Geste wurde von einem schwarzhaarigen Mann im Bug des Leitboots erwidert. Der Mann war ganz in schwarzes Leder gekleidet, er trug sogar einen engen Lederhelm mit Backenschutz.
Gamwyn schauderte. Das gebogene Schwert des Mannes war länger als das typische Kurzschwert der Völker des Heart-Flusses. Von seinem linken Handgelenk baumelte eine geflochtene Reitpeitsche, und als die Sklaven die großen Baumwollsäcke ausluden, schnellte er sie ihnen lässig über den Rücken. Eine Reihe von Wachen in gleicher Kleidung stand in Bug und Heck wie auch am Ufer. Alle waren mit Bogen bewaffnet.
Es wurde sehr wenig gesprochen, als man Baumwolle gegen Leder, Pelbartöpferwaren, gedrechselte Holztabletts und Becher, Salzfleisch und eine große Menge Rinderknochen tauschte. Gegen Ende des Tauschgeschäfts wurde Gamwyn gewahr, daß der Anführer der Tusco neben ihm stand. Plötzlich faßte er die Backen des Jungen mit einer Hand und drehte ihm den Kopf herum. Er starrte Gamwyn an.
»Er was?«
Gamwyn hob die Hand und bohrte mit einem Gar-distengriff seinen Daumennagel in das Handgelenk des Mannes. Der Mann brüllte auf und ließ los, und in diesem Augenblick trat Jamin zwischen die beiden.
Der Tusco wich mehrere Schritte zurück.
»Nicht feil«, sagte Jamin. »Nicht feil.«
Jaiyan schlenderte herüber und legte dem Mann den Arm auf die Schulter. »Schon gut. Wieder so ein Verirrter, den ich aufgenommen habe. Nur ein Knabe.« Der zornige Blick des Mannes wurde ein wenig milder. »Komm in den Saal, dann begleichen wir unsere Rechnung«, fügte Jaiyan hinzu. Die Angelegenheit schien erledigt, aber Gamwyn gefiel es nicht, wie ihn die Bogenschützen der Tusco anschauten. Jamin wich ihm nicht von der Seite, aber Misque war nirgendwo zu sehen.
Die Tusco blieben über Nacht, schliefen aber wie vereinbart in ihren Booten. Die ganze Zeit über hing eine Atmosphäre der Gefahr wie stechender Holz-rauch in der Luft. Gamwyn war froh, als er am Morgen sah, wie sie abstießen, die
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